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Weihnachtstexte von Monica Maria Mieck

Monica Maria Mieck

schreibt Kurzgeschichten, Gebete, Aphorismen und  lyrische und Weihnachts- Texte

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urheberrechtlich geschützte Texte

Kontakt: maritimbuch (at) googlemail.com

Viele Bände der vom Webmaster herausgegebenen maritimen gelben Buchreihe sind jetzt auch als amazon-Direktdruck-Printbücher zu erhalten:


Band 1 = Begegnungen im Seemannsheim - Band 2  = Seemannsschicksale 2   Band 3 = Seemannsschicksale 3   Band 4-1 Alfred Tetens Band 4-b Anthologie 2015 - Band 5 = Capt. E. Feith: Ein Leben auf See  - Band 6  = Seefahrt damals  -  Band 10-1 - Diakon Ruszkowski Band 10-2 Himmelslotse Runge = Motivation - Band 11 = Diakone RH -  (Band 13 = Hugo Wietholz: Ein Leben im 20. Jahrhundert nur als epub-ebook - nicht bei amazon) - Band 14  = Schiffselektriker - Band 15 = deutsche Schicksale 1945 Band 17 = Schiffskoch Richter - Gesamtausgabe - Band 18 = Emden - Ostfriesland - Band 19 = Uwe Heins - Emden  -  Band 20 = Matrose im 2. Weltkrieg -  Band 22 = Frachtschiffreisen -   Band 26  Liebe findet immer einen Weg MMM_site_google - Band 27 verschenke kleine SonnenstrahlenBand 28 = durch alle Nebek hindurch   Band 29 = Lokbuch -   Band 30 = Schiffe, Häfen, Mädchen Band 31 = Langzeitsegler Band 32 Langzeitsegler - Band 33 - Hafenrundfahrt Hamburg Band 35 = Junge, komm bald wieder... Band 36  = Seemaschinist Band 37 = Frequenzwechsel Band 38 = Zauber der Erinnerung - Band 39 = Hein Bruns: In Bilgen, Bars und Betten Band 40 Kanalssteurer   - Band 41 = Perschke: Vor dem Mast - Band 42 = Perschke: Ostasienreisen -  Band 43 = Weihnachtstexte   - Trilogie: Band 44 -= Flarrow, der Chief - Band 45 -= Flarrow, der Chief - Band 46 = Flarrow, der Chief - Band 47 = Seefahrterinnerung - neu bearbeitet  - Band 48 nautischer Beamter  - Band 58 Perschke: unter dem Hanseatenkreuz - Band 59 = unterwegs   Band 60 - Band 64 = Bernd Herzog: Opas Seefahrt - Band 65 = Wichern Band 67  = Seefahrt 1948-50  - Band 68 = LIBERTAD - Band 69  = Steininger 1 -   Band 70 = Steininger 2  - Band 71  = Steininger 3 - Band 73 = Pastoren in Grevesmühlen - Band 76 = Rudis Weltenfahrten  - Band 78 = Briefe aus Tsingtau 1908 - Band 79 = Briefe aus Fernost 1912 - Die Bände 62, 66 und 77 wurden vom Autor selber eingestellt.

weihnachtliche Kurzgeschichten

und lyrische Texte

von

Monica Maria Mieck

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Die Texte dürfen von Verlagen nur nach Genehmigung durch den Rechteinhaber veröffentlicht werden

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Adventlicher Dialog

Mutti, warum putzt du so viel?

Du kriechst ja mit dem Lappen in alle Ecken.

 Ja, Karoline, du weißt doch,

dass bald das Christkind kommt.

 Mutti, das weiß ich schon aus dem Kindergarten.

Und jetzt putzt du auch noch die Lampen blank.

Mutti, es ist so ungemütlich bei dir.

Du wolltest aber mit mir Sterne basteln,

das hast du mir versprochen.

 Aber, liebe Karoline,

wenn das Christkind kommt,

dann muss doch alles sauber und schön sein.

 Das verstehe ich nicht, Mutti.

Das Christkind ist aber doch

in einem Stall geboren.

Und in einem Stall stinkt es.

Das rieche ich immer,

wenn ich bei meiner Freundin Sophia bin

und wir beide zur Melkzeit

mit ihrer Mutter, der Bäuerin,

mit in den Stall dürfen.

*  *  *

Ein Päckchen im Advent

Flotten Schrittes nähert sich die Frau in der Dunkelheit ihrer vertrauten Haustür.  Den passenden Schlüssel hält sie schon in ihrer rechten Hand.  Doch da hört sie das Summen des Türöffners.  Jemand muss die Heimkommende also beobachtet haben.  Ihre aufmerksame Nachbarin in der Parterrewohnung steht schon in der geöffneten Wohnungstür.  „Sie haben ein Päckchen, liebe Frau Dresel.  Ich habe es für Sie angenommen.“  Mit einem zarten Streicheln über die Wange der alten kranken Frau bedankt sie sich auf ihre ganz persönliche Art.

Die Neugierde lässt sie die Treppenstufen noch schneller als sonst hinaufspringen.  Noch in ihre schon etwas abgetragene grüne Wanderjacke eingehüllt steht sie schon am Küchentisch mit der Schere in der Hand.  Eine plötzliche Freude des Nichtvergessenseins lässt ihr keine Zeit, den Bindfaden aufzuknoten.  Flink entfernt sie die Papierumhüllung und befreit den Karton von dem zusammen haltenden Klebeband.  Da purzelt der Frau so viel Freude entgegen. Nur von Briefkontakten kennt sie Absenderin. Sie wickelt ein selbst genähtes Kirschkernkissen aus der Umhüllung.  In den Backofen oder die Mikrowelle soll sie es legen, dann spendet es länger Wärme, als früher die mit heißem Wasser gefüllten Gummiwärmflaschen es konnten.  Eine verzierte Blechdose,  gefüllt  mit weihnachtlichem Tee und ein kleines Früchtebrot gut verpackt, hält  sie in ihren Händen vorsichtig und zart, wie man wertvolle Kostbarkeiten behandelt.  Auf dem Boden des Kartons findet die von Nächstenliebe Berührte noch zwei tiefsinnige Spruchkarten und einen langen Brief.  Die Schreiberin drückt ihre Gedanken so aus: „Liebe Frau Dresel, ich möchte ihnen mit dem Inhalt dieses Päckchens symbolisch Wärme schicken.“ Immer noch am Küchentisch stehend, wischt sie sich mit dem Handrücken kleine Freudentränen von ihrem Gesicht.  Sie weiß, dass diese Frau eine Christin ist und selber schon schwere Lebensphasen durchgestanden hat.  Es ist der Frau, die sie noch niemals zu Gesicht bekommen hat,  auch aus weiter Entfernung gelungen, ein helles und hoffnungsvolles Licht in den Adventswochen für die plötzlich Alleinlebende anzuzünden.  Sie konnte die Seele der Traurigen mit ihrer Wärme streicheln.

Nächstenliebe im Advent

 Anfang Dezember ist der Winter schon mit eisigem Frost und viel Schnee ins Land gekommen.  Über Nacht hat er der kleinen Stadt ein zauberhaft weißes, glitzerndes Kleid angezogen.  Die spitzen Giebeldächer sehen abends im Laternenschein wie verlockende Knusperhäuschen aus.  Leider bleibt die weiße Pracht - zumindest auf den verkehrsbelebten Straßen - nicht lange erhalten.  Die Autofahrer schimpfen über die Glätte, weil diese für sie gefährlich ist, zumal sie nun morgens früher aufstehen müssen.  Nur die Kinder freuen sich noch vorbehaltlos über den ersten Schnee, der ihnen ja vor allem Winterfreuden beim Rodeln bringt.

Reinhard wohnt mit seinen Eltern in einem Mehrfamilienhaus.  Tagsüber ist es im Hause sehr still, weil fast alle Bewohner berufstätig sind.  Nur oben in der kleinen Mansardenwohnung lebt eine ältere Frau, die nur sehr selten das Haus verlässt.  Seit einiger Zeit geht sie nun am Stock.  In der anderen Hand trägt sie die Tasche mit den kleinen Einkäufen.

Kontakt haben alle Mieter nur, indem sie sich einen guten Tag wünschen.  Sonst kümmert sich niemand um den anderen.  Gleich nach Schulschluss läuft Reinhard schnell nach Hause. In der letzten Schulstunde hat er im Kunstunterricht unter Anleitung der Lehrerin einen wunderschönen Transparentstern mit 16 Strahlen aus durchsichtigem, leuchtend rotem Papier gebastelt.  Zu Hause ange­kommen, legt er den Stern erst mal in sein Regal, damit er nicht verknickt.  Heute will er gleich nach dem Mittagessen seinen Schlitten vom Boden holen.  Das herrliche Schneewetter muss er doch ausnutzen.  Er steigt die Treppen zum Boden hinauf und kommt an der Wohnungstür von Frau Martensen, der alten gehbehinderten Dame, vorbei.  Auf ihrer Fußmatte liegen mehrere Zeitungen.  Reinhard schließt die Bodenkammer auf und nimmt seinen Schlitten unter den Arm.  Der Junge verbringt einen besonders fröhlichen Nachmittag zusammen mit Klassenkameraden auf dem Rodelberg.  Doch er muss leider auf seine Uhr schauen, denn heute hat er am Spätnachmittag noch Konfirmandenunterricht.  Dorthin geht er sonst gerne, weil der junge Pastor den Kindern das Evangelium sehr lebendig und lebensnah vermittelt.  An diesem Nachmittag sprechen sie über die Nächstenliebe, und der Pastor motiviert die Kinder gleich, sich alsbald darin zu üben; denn egoistisches Verhalten gebe es genug unter den Menschen.

Nach dem gemeinsamen Abendbrot mit den Eltern trägt Reinhard noch schnell seinen Schlitten die Treppen hinauf in die Bodenkammer zurück.  Da sieht er, dass die Zeitungen noch immer bei Frau Martensen auf der Fußmatte liegen.  Eigentlich wollte er sich gleich im Fernsehen noch den Tierfilm anschauen.  Aber - nein, er will sich nicht drücken.  Sein Gewissen sagt ihm, dass er auch an das Thema der heutigen Konfirmandenstunde denken solle.

Mutig drückt er auf den Klingelknopf.  Er lauscht und hört aus dem Innern der Wohnung gar nichts.  Noch einmal klingelt er, wartet, ist besorgt und da hört er endlich langsame Schritte.  Er ist erleichtert, als Frau Martensen ganz zaghaft einen Türspalt öffnet.  Auf ihren Stock gestützt, sieht sie elend und blass aus.  Sie hat nur schnell ihren Morgenrock über das Nachthemd gezogen.  Reinhard bückt sich, hebt die angesammelten Zeitungen auf, hält sie Frau Martensen entgegen und fragt nach ihrem Ergehen.  Nachdem sie ihre Brille aufgesetzt hat, erkennt sie nun auch den großen Schuljungen aus dem ersten Stock.  Da löst sie die Sicherungskette ihrer Wohnungstür und bittet den Jungen zu sich in die Wohnstube.

„Ja, krank bin ich schon seit ein paar Tagen, und das hohe Fieber hat mich so geschwächt, dass ich nicht aufstehen konnte.“ - „Aber Frau Martensen, Sie zittern ja so.  Soll ich Ihren Hausarzt hierher bestellen?  Sie brauchen gewiss einen Arzt und gute Medizin.“  Frau Martensen lässt Reinhards Fürsorge geschehen.  Der Junge ruft den Arzt der alten Frau an.  Dann brüht er ihr einen kräftigen Pfefferminztee.  Sie unterhalten sich, bis der Arzt kommt.  Anschließend läuft Reinhard gleich mit dem Rezept zur nächsten dienstbereiten Apotheke.

Die Straßen sind um diese Zeit schon ziemlich menschenleer.  Der Mond steht heute voll am Him­mel und wirft einen wunderschönen goldenen Schein auf die vereisten Straßen.  Zurückgekehrt, schreibt Reinhard sich noch einen Einkaufszettel auf.  Etwas Brot, Obst und Milch will er Frau Martensen morgen besorgen.  Viel isst sie ja ohnehin nicht mehr, und in diesem Zustand hat sie noch weniger Appetit.  Als Reinhard dann doch ziemlich spät in die elterliche Wohnung zurückkehrt, ist er allein.  Ach ja, seine Eltern wollten noch weggehen. Der Junge schläft zufrieden ein.

Am nächsten Tag kauft er nach der Schule gleich ein.  Als er mit der Plastiktüte vor Frau Martensens Wohnungstür steht und klingelt, öffnet sie ihm heute schon mit einem etwas anderen Gesichtsaus­druck: Da ist so ein sanftes freudiges Strahlen in ihren Augen zu sehen.  Offensichtlich geht es der alten Dame schon etwas besser.  Zwar hustet sie noch tüchtig, aber das Fieber ist gesunken.

Reinhard fühlt sich bei Frau Martensen wohl.  Sie strahlt so eine herrliche Ruhe aus.  Sie hört ihm auch aufmerksam zu.  Der Junge spürt, dass sie seine Probleme auch ernst nimmt.  Er erzählt ihr von der Schule, von der Englischarbeit, die sie heute geschrieben haben.  Und zu seinem Erstau­nen stellt Reinhard fest, dass Frau Martensen flie­ßend Englisch spricht.  „Oh, darf ich da mal mit meinen Hausaufgaben zu Ihnen kommen, wenn Sie wieder ganz gesund sind?“ - „Aber ja, gerne!  Immer kannst du zu mir kommen, wenn du magst.“

In den Adventswochen schreibt Reinhard noch zwei weitere Englischarbeiten, und seine Eltern sind über seine guten Noten erstaunt.  Da erst verrät Reinhard ihnen etwas von seiner heimlichen Nachhilfelehrerin.  Frau Martensen blüht wieder richtig auf.  Die neue Aufgabe fordert sie und macht ihr soviel Freude.  Vor jeder neuen Klassenarbeit üben die beiden besonders intensiv Englisch.  Reinhard macht nicht nur den Einkauf für die alte Dame.  Er putzt ihr auch die Fenster und saugt die Teppiche ab.

Vor Weihnachten hilft er auch beim Päckchenpacken und bringt sie zur Post.  Am Heiligen Abend, nachdem er mit seinen Eltern schon gefeiert hat, nimmt er seinen Transparentstern aus dem Regal und klingelt wieder bei Frau Martensen.  Der alten Dame kommen Freudentränen in die Augen.  Sie dachte, sie würde, wie schon seit vielen Jahren, allein sein. Reinhard klebt den roten Stern an die Fensterscheibe, und die beiden unterhalten sich ganz gemütlich über Frau Martensens lange zurückliegende Schulzeit, den Konfirmandenunterricht der alten Dame und die schöne Zeit, in der sie als Privatlehrerin in England bei einer Familie tätig war.  Da erzählt Reinhard von seinem Pastor und dem Thema Nächstenliebe, das ihn so beeindruckt hat.  Frau Martensens Blick fällt zwischendurch immer wieder auf den roten Stern mit den 16 Strahlen, der an ihrem Fenster leuchtet.  Genauso leuchtet ihr die Liebe dieses Jungen aus seinen Augen entgegen.

Allmähliche Beleuchtung

 Draußen ist es kalt und neblig trüb.  Meine Füße tragen mich auf einem Spaziergang besonders schnell zurück ins gemütliche Zuhause.  Gegen die einbrechende Dunkelheit zünde ich die erste rote Kerze an unserem Adventskranz an.  Ich setze mich in die Couchecke und nehme mir viel Zeit zum Genießen und Nachdenken.  Wie viel Helligkeit die eine Kerze verbreitet.  Ich schaue lange in das warme Licht und spüre, wie wohl ich mich dabei fühle.  Ruhig brennt die kleine Kerze und beschenkt mich dadurch mit Stille und Gedanken, die sonst im Alltag nicht wachsen können.  Mir ist, als nehme ich dieses Licht in meine Hand und leuchtete die hinteren dunklen Ecken in meinem Herzen aus.  Was liegt da noch an Altlasten verborgen?  Was sollte und wollte ich längst entsorgen?  Und was ist mit meinen niemals durchgeführten Plänen?  Beim näheren Beleuchten fallen mir so viele kleine Merkzettel in die Hände, auf denen liebe Worte stehen, die ich nicht ausgesprochen habe. - Die langsame Vorbereitung auf das Fest der Geburt Christi beginnt.  Noch habe ich vier Wochen Zeit.

Zwei Kerzen wärmen stärker als eine.  Mir wird warm ums Herz, mitten im frostigen Winter.  Ich lasse es zu, Versäumnisse zu beleuchten.  Wie dringend brauchen wir alle menschliche Wärme.  Freundschaften wollen pfleglich behandelt werden.  Ich werde mehr von meiner Zeit verschenken.  Und ich spare so viel Zeit ein, wenn ich keine konventionellen Geschenke mehr kaufe.  Wie ist es mit der Anteilnahme fremder Menschen bestellt?

Vielleicht helfen mir drei oder vier Kerzen mit ihrem hellen Schein und ihrer intensiven Wärme und Ausstrahlung noch besser auf den Weg der Phantasie, die mich beflügeln wirklich das herauszufinden, was mein Mann, meine Kinder und Freundinnen sich sehnlichst von mir wünschen.  Vielleicht viel Zeit zum Zuhören und Anteilnehmen, vielleicht ein Lob, zu dem es niemals zu spät ist, und auch Geborgenheit und Fröhlichkeit?

  Auf den Wegen dieses Advents ist mein kalter dunkler Speicher erwärmt und beleuchtet worden.  In der Hoffnung, dass ich Gottes Nähe in diesen Adventswochen spüren werde, puste ich ganz sachte und nachdenklich die Lichter am grünen Nadelkranz aus.  Diese Begegnung in der dunklen Zeit mit dem hellen heilenden Licht lässt mich aufmerksamer schauen und klingt noch lange in mir nach.

Wintermelodie

 Klirrende Kälte.

Eisregen trommelt

winterliche Klänge

an Fensterscheiben

und Dachrinnen.

Messerscharfer Wind

fegt die Straßen fast menschenleer.

Doch Kinder formen Bälle

aus Wolkengeschenken,

ihr jubelndes Lachen

erwärmt sogar den strengen Frost.

Häuser tragen

schneeweiße Pudelmützen.

Einsamer Vogel sucht Nahrung.

Nachts heult der Wind laut

gleich hungrigen Wölfen.

Eröffnung des Weihnachtsmarktes

Beate schaut mit Interesse täglich in die Tageszeitung.  Unübersehbar wird dort rechtzeitig auf den Weihnachtsmarkt hingewiesen und einladend informiert.  Auch der Nikolaus ist für die Kinder angekündigt.  Tante Beate denkt dabei gleich an ihren kleinen vierjährigen Neffen, der auch ihr Patenjunge ist.  Die kinderliebe Patentante möchte an ihrem freien Nachmittag mit Samuel zum Weihnachtsmarkt fahren.  Mit ihrer Schwägerin wird sie sich schnell einig. „Martina, ich hole dann am Freitag pünktlich um 17:00 Uhr deinen lustigen Samuel bei dir ab.“ – „Gerne, liebe Beate, du entlastet mich dadurch.  Dann kann ich mich um Jonathan und Benjamin intensiver kümmern.  Der temperamentvolle Samuel stört die größeren Brüder manchmal auch bei den Hausaufgaben.“

Samuel drückt schon seine kleine Nase von innen an die Haustürscheibe.  Dann sieht er aber schon, dass seine liebe Patentante aus ihrem Auto aussteigt.  Der erwartungsvolle Junge juchzt vor Freude.  „Tante Beate, wir können gleich zum Nikolaus fahren.“ – „Aber ich will doch noch deine Mutti und deine Brüder begrüßen.“  Martina wünscht den beiden noch einen schönen Nachmittag.  Jonathan und Benjamin rufen noch ihrem Bruder hinterher: „Kleiner, grüß den Nikolaus auch von uns.“

Das Gemeindehaus ist adventlich geschmückt.  Wie jedes Jahr wird mit den Kindern zuerst aber ein wunderschöner Laternenumzug durch die Straßen gemacht.  In der winterlichen Dunkelheit leuchten die vielen verschiedenen Laternen, die mit Hilfe so mancher Mutter wunderschön gefertigt wurden.  Wahre Kunstwerke kann man in dem Laternenumzug entdecken.  Und nicht nur die Kinder singen das schöne passende Lied: „Ich geh mit meiner Laterne, und meine Laterne mit mir, dort oben leuchten die Sterne und unten leuchten wir.“  Es entsteht eine bezaubernde Stimmung.  Im Gemeindhaus wieder angekommen, werden die Kinder schon vom Nikolaus freundlich empfangen.  Der stattliche Mann im roten Mantel trägt auf seinem Rücken einen großen braunen Sack.  Liebevoll streichelt der Nikolaus jedem Kind über den Kopf.  Samuel fürchtet sich nicht vor dem großen Mann mit dem langen weißen Bart.  „Was hast du alles in deinem Sack versteckt? fragt der Vierjährige.  „Dann will ich jetzt mal den Sack aufbinden und alle lieben Kinder beschenken.“  Der Nikolaus verteilt großzügig Süßigkeiten und Karten für Karussellfahrten.  Als der Sack fast leer ist, weiß der Mann im roten Mantel nicht mehr so genau, ob er auch alle Kinder beschenkt hat.  Samuel wird vom Nikolaus gefragt: „Kleiner Junge, hast du auch etwas geschenkt bekommen?“ – „Ja, lieber Nikolaus, du hast mir schon zwei Geschenke gegeben.“  Nikolaus streichelt Samuel über seinen dunklen Haarschopf und sagt: „Weil du so ehrlich bist, bekommst du noch etwas.“

  Tante Beate fährt mit ihrem fröhlichen Patenjungen erst zu seiner Großmutter.  Beate weiß, dass ihre Mutter sich sehr an ihren Enkelkindern freut.  Die stets interessierte Großmutter fragt: „Na, Samuel, wie war es denn beim Nikolaus?“ – „Oma, ich war beim Sandmännchen!“ Und alle drei lachen aus vollem Herzen.

Stern mit sechzehn Strahlen

Anfang Dezember ist der Winter schon mit eisigem Frost und viel Schnee eingezogen.  Über Nacht hat er der kleinen Stadt ein zauberhaft weißes, glitzerndes Kleid angezogen.  Die spitzen Giebeldächer sehen abends im Laternenschein wie verlockende Knusperhäuschen aus.  Leider bleibt die weiße Pracht – zumindest auf den verkehrsbelebten Straßen – nicht lange erhalten.  Die Autofahrer schimpfen über die Glätte, weil diese für sie gefährlich ist, zumal sie morgens eher aufstehen müssen.  Nur die Kinder freuen sich noch vorbehaltlos über den ersten Schnee, der ihnen ja vor allem Winterfreuden beim Rodeln bringt. 

Reinhard wohnt mit seinen Eltern in einem Mehrfamilienhaus.  Tagsüber ist es im Hause sehr still, weil fast alle Bewohner berufstätig sind.  Nur oben in der kleinen Mansardenwohnung lebt eine Ältere Frau, die nur sehr selten das Haus verlässt.  Seit einiger Zeit geht sie nun am Stock.  In der anderen Hand trägt sie die Tasche mit den kleinen Einkäufen.

Kontakt haben alle Miete nur, indem sie beim Begegnen einander grüßen.  Gleich nach Schulschluss läuft Reinhard schnell nach Hause.  In der letzten Unterrichtsstunde im Fach Kunst hat er unter Anleitung der Lehrerin einen wunderschönen Stern mit 16 Strahlen aus leuchtend rotem transparentem Papier gebastelt.  Zu Hause angekommen, legt er den Stern erst mal in sein Regal, damit er nicht verknickt.  Heute will er gleich nach dem Mittagessen seinen Schlitten vom Boden holen.  Das herrliche Schneewetter muss er doch auskosten.  Der Junge steigt die Treppen zum Boden hinauf und kommt dabei an der Wohnungstür von Frau Martensen, der alten gehbehinderten Dame vorbei.  Auf ihrer Fußmatte liegen mehrere Zeitungen.  Reinhard schließt die Bodenkammer auf und klemmt sich seinen Schlitten schnell unter seinen Arm.  Der große Junge verbringt einen besonders fröhlichen Nachmittag zusammen mit Klassenkameraden auf dem besten Rodelberg der kleinen Stadt.  Doch er muss leider auf seine Uhr schauen, denn heute hat er am Spätnachmittag noch Konfirmandenunterricht.  Dorthin geht er sonst gerne, weil der junge Pastor den Kindern das Evangelium sehr lebendig und lebensnah vermittelt.  An diesem Nachmittag sprechen sie über die Nächstenliebe, und der junge Geistliche motiviert die Jungen und Mädchen gleich, sich alsbald darin zu üben, denn egoistisches Verhalten gebe es genug unter den Menschen. 

Nach dem gemeinsamen Abendbrot mit den Eltern trägt Reinhard noch schnell seinen Schlitten die Treppen hinauf in die Bodenkammer zurück.  Da sieht er, dass die Zeitungen immer noch bei Frau Martensen auf der Fußmatte liegen.  Eigentlich will er sich gleich im Fernsehen noch den Tierfilm anschauen.  Aber nein, er will sich nicht drücken.  Sein Gewissen schlägt: Er denkt auch an das Thema in der heutigen Konfirmandenstunde.

Mutig drückt er auf den Klingelknopf.  Der Junge lauscht und hört aus dem Innern der Wohnung gar nichts.  Noch einmal betätigt er die Klingel, wartet, ist besorgt und - da hört er endlich langsame Schritte.  Er ist erleichtert, als die alte Dame ganz zaghaft einen Türspalt öffnet.  Auf ihren Stock gestützt sieht sie elend und blass aus.  Sie hat nur ihren Morgenrock über das Nachthemd gezogen.  Reinhard bückt sich, hebt die angesammelten Zeitungen auf, hält sie Frau Martensen entgegen und fragt nach ihrem Ergehen.  Nachdem die Alleinlebende ihre Brille aufgesetzt hat, erkennt sie erst den groß gewachsenen Schuljungen aus dem Parterre.  Da löst sie die Sicherungskette ihrer Wohnungstür und bittet den Jungen zu sich in die Wohnstube. 

„Ja, krank bin ich schon seit ein paar Tagen, und das hohe Fieber hat mich so geschwächt, dass ich nicht aufstehen konnte.“  Reinhard erfasst die Notsituation.  „Aber Frau Martensen, Se zittern ja so.  Darf ich ihnen ihren Hausarzt telefonisch bestellen? Sie brauchen gewiss einen Arzt und gute Medizin.“  Die Kranke lässt Reinhards Fürsorge geschehen.  Nach dem Telefonat brüht er erst mal einen kräftigen Pfefferminztee.  Sie unterhalten sich bis der Arzt eintrifft.  Anschließend läuft der Fürsorgliche gleich zur nächsten diensthabenden Apotheke. 

Die Straßen sind um diese Zeit schon ziemlich menschenleer.  Der Mond steht heute voll am Himmel und wirft einen wunderschönen goldenen Schein auf die inzwischen vereisten Straßen.  Zurückgekehrt, schreibt Reinhard sich noch einen Einkaufszettel.  Etwas Brot, Obst und Milch will er der kranken Frau morgen besorgen.  Als der Junge dann doch ziemlich spät in die elterliche Wohnung zurückkehrt, ist er alleine.  Ach ja, seine Eltern wollten abends noch weggehen.  Der Junge schläft zufrieden ein.

Am nächsten Tag kauft er gleich nach Schulschluss ein.  Als er mit der vollen Plastiktüte vor Frau Martensens Wohnungstür steht, öffnet diese ihm heute schon mit einem etwas anderen Gesichtsausdruck: Da ist so ein sanftes freudiges Strahlen in ihren Augen zu sehen.  Offensichtlich geht es der alten Dame schon etwas besser.  Zwar hustet sie noch ein wenig, aber das Fieber ist gesunken.

Und Reinhard fühlt sich bei seiner Nachbarin wohl.  Sie strahlt so eine herrliche Ruhe aus.  Sie hört ihm auch aufmerksam zu.  Der Junge spürt, dass sie seine „Probleme“ auch ernst nimmt.  Er erzählt ihr von der Schule, von der Englischarbeit, die er heute geschrieben hat.  Und zu seinem Erstaunen stellt Reinhard fest, dass Frau Martensen fließend englisch spricht.  „Oh, darf ich mal mit meinen Hausaufgaben zu Ihnen kommen?“  „Aber ja, gerne!  Immer kannst du zu mir kommen, wenn du magst.“

In den Adventswochen schreibt der Schüler noch zwei weitere Englischarbeiten, und seine Eltern sind über seine guten Noten angenehm Überrascht.  Da erst verrät der Sohn ihnen etwas von seiner heimlichen Nachhilfelehrerin.  Und Frau Martensen blüht wieder richtig auf.  Die neue Aufgabe fordert sie und macht ihr so viel Freude.  Vor jeder neuen Klassenarbeit üben die beiden Befreundeten besonders intensiv.  Reinhard kauft auch weiterhin für seine liebevolle „Lehrerin“ ein. 

  In den Adventswochen hilft er gerne beim Päckchenpacken und bringt diese auch selbstverständlich zur Post.  Am Heiligen Abend, nachdem der Junge schon mit seinen Eltern gefeiert hat, nimmt er ganz gezielt seinen Transparent-Stern aus dem Regal und klingelt wieder bei seiner Frau Martensen.  Der Alleinlebenden kommen Freudentränen in ihre Augen.  Sie dachte, sie würde, wie schon seit vielen Jahren, zu Weihnachten alleine sein.  Reinhard klebt den roten Stern an die Fensterscheibe im Wohnzimmer, und die beiden unterhalten sich ganz gemütlich über die lange zurückliegenden Schulzeiten, den Konfirmandenunterricht der alten Dame und die schöne Zeit, in der sie als Privatlehrerin in England tätig war.  Dann erzählt der sensible Junge von seinem Pastor und dem Thema der Nächstenliebe. Die Blicke der alten Dame fallen zwischendurch immer wieder auf den leuchtend roten Stern mit den sechzehn Strahlen, der nicht nur ihre Wohnung erhellt.

Glocken läuten die Weihnacht ein

Und Freude wird einziehen,

Glocken läuten die Weihnacht ein.

Glocken rufen Menschen zusammen.

Wichtiges Zeichen der Heiligen Nacht.

Wenn wir für uns bleiben, alleine, einsam,

befällt uns möglicherweise Traurigkeit.

Deshalb: Wir müssen hinhören,

was Weihnachten uns wirklich sagen will.

Glocken rufen: Versammelt euch,

Alte und Junge, Gesunde und Kranke,

Fröhliche und Traurige,

Familien und Alleinstehende:

Allen soll es gesagt werden –

immer neu ins Leben hinein:

Jesus Christus - Gottes Hilfe –

ist auch für uns gekommen.

Nehmen wir doch diese Hilfe an!

Öffnen wir uns Christus -

und öffnen wir uns untereinander -

und Freude wird einziehen

in unsere Herzen und Häuser.

Ein Fest kann beginnen.

In einer Deutschstunde

Die Lehrerin einer Gymnasiumsklasse kennt die Kinder erst seit dem Spätsommer, nach den großen Ferien.  Sie haben gemeinsam ein straffes Lernprogramm zu schaffen.  Da bleibt keine Zeit zum intensiven Kennenlernen.  Die warmherzige Frau, die gerade ihren fünfzigsten Geburtstag gefeiert hat, möchte wenigstens in der Adventszeit eine Deutschstunde für persönliche Gespräche anbieten.  So bittet sie die Schüler, ein paar Kerzen, Tannenzweige und Sternchen mitzubringen.  Die Klassenlehrerin backt in ihrer Freizeit gemeinsam mit der tatkräftigen Unterstützung von ein paar Schülern viele leckere Weihnachtskekse.

Vor dem 4. Advent liegt wie jeden Freitag die Deutschstunde am Schluss des Unterrichts.  Vorher hat die 6. Klasse noch eine schwere Mathematikarbeit geschrieben.  Doch in der Pause verwandeln alle fleißigen Hände den nüchternen Klassenraum in eine vorweihnachtliche gemütliche Stube.  Thomas und Sebastian haben selbst gestaltete Transparent-Sterne in gelb, rot und orange an die Fenster geklebt.  Iris, Anna und Katharina verzaubern den Raum mit großen Mengen frischem duftendem Tannengrün fast in einen Winterwald.  Rote Kerzen stehen auf allen Tischen.  Kleine Goldsternchen schmücken die ausgebreiteten grünen Servietten.  Die Schüler setzen sich erwartungsvoll auf ihre Plätze.  Eine ungewisse Spannung liegt in manchem Herzen.  Was wird Frau Hufnagel mit uns machen?  Es wird kein gewöhnlicher Deutschunterricht sein.  Aber fünfundvierzig Minuten haben wir Zeit, um uns besser kennen zu lernen.

Mit einem Säckchen auf dem Rücken kommt die Lehrerin mit einer unübersehbaren Heiterkeit auf ihrem Gesicht ins Klassenzimmer. „Ich bin die Weihnachtsfrau und habe mit Hilfe von ein paar fleißigen Engeln aus eurer Klasse Zimtsterne und Mandelherzen zum Verwöhnen gebacken.  Wie zauberhaft ihr den nüchternen Raum geschmückt habt.  Ich schlage vor, dass wir vielleicht zu Anfang ein Adventslied singen.“  Karoline wünscht sich „Maria durch ein’ Dornwald ging…“  Und einige Schüler haben ihre Flöten mitgebracht.  Die kräftigen jungen Stimmen werden von Blockflöten und einer Querflöte begleitet.  Das gemeinsame Singen und Musizieren verbindet, schafft eine harmonische festliche  Atmosphäre.  Das selbstgebackene Weihnachtsgebäck duftet, verführt zum Genießen.  Frau Hufnagel fragt nach den persönlichen Wünschen, die die Kinder im Hinblick auf Weihnachten haben.  Sebastian sagt lauthals als Erster: „Ich wünsche mir zu Weihnachten eine neue Skiausrüstung, damit ich mehr Spaß im Winterurlaub habe.“  Einen besseren Computer wünscht sich Gregor.  Dann purzeln die Wünsche in schneller Reihenfolge.  Iris wünscht sich sehnlichst ein eigenes Zimmer, damit sie in Ruhe ihre Hausaufgaben erledigen kann.  Thomas hofft, dass er ausreichend Geld für eine Reise geschenkt bekommt.  Plötzlich verstummen die Wünsche.  Die roten Kerzen brennen und leuchten immer noch auf allen Tischen.  Eine besinnliche Ruhe breitet sich aus.  Frau Hufnagel sieht, dass Friederike mit den Tränen kämpft.  Sie geht zu dem Mädchen, legt beschützend ihren Arm um die Traurige.  Da sagt Friederike mit bebenden Lippen: „Ich wünsche mir so sehr zu Weihnachten, dass meine getrennt lebenden Eltern sich versöhnen können und wieder miteinander leben möchten.“  Mathias hat jetzt Mut bekommen und sagt mit fester Stimme:  „Ich wünsche mir, dass der Krebs, an dem meine Mutter leidet, geheilt werden kann.“  Und über Mathias’ Gesicht laufen ganz leise befreiende Tränen.  Mancher Schüler geht betroffen und beschämt aus der so anderen Deutschstunde nachdenklich nach Hause.  Frau Hufnagel aber kümmert sich um Mathias.

Glückliche Heimkehr

Diese wahre Geschichte hat mir mein 71jähriger lieber Vetter im Advent 2008 erzählt. 1945 hat dieses überwältigende Erlebnis, damals war er ein fröhlicher achtjähriger Junge, seine Seele tief berührt und bis jetzt abgespeichert.

Deutschland lag nach dem verlorenen grausamen 2. Weltkrieg in Trümmern, und die Armut war überall sichtbar.  Die kleine Familie wohnte in Hamburg.  Der Stadtteil Bahrenfeld, in dem die Mutter mit ihren beiden schulpflichtigen Söhnen lebte, war zum Glück von den feindlichen Bomben verschont geblieben.  So hatten sie Ihr gemütliches Zuhause behalten.  Die zarte Frau hatte seit zweieinhalb Jahren überhaupt kein Lebenszeichen mehr von ihrem Mann bekommen.  Er galt offiziell als vermisst gemeldet.  Sie wusste aber, dass ihr treu sorgender Mann in russische Kriegsgefangenschaft geraten war.

Wenn die beiden Kinder vormittags in der Schule fleißig lernten, stand ihre Mutter geduldig vor den Kaufmannsläden nach den spärlich rationierten Lebensmitteln an.  Wenn sie an der Reihe war, wurde ihr manchmal nur noch ein kleines Brot über die Ladentheke geschoben.  Enttäuscht stand sie danach in der Schlange beim Gemüsehändler an, um vielleicht noch einen Kohlkopf zu ergattern.  So ging es damals allen Deutschen, außer den Bauern.  Es gab zu der Zeit in Deutschland Lebensmittelkarten.  Die Rationen waren so gering bemessen, dass den Menschen die Mägen oft vor Hunger knurrten.

Horst war 11 Jahre und der stillere von den beiden Brüdern.  Martin war im Advent 8 Jahre alt geworden, und er war temperamentvoller und lustiger als sein großer Bruder.  Die beiden Jungen kannten ihren Vater aus der Vergangenheit.  Doch langsam verblasste das Bild des Vaters.  Darum holte die Mutter sonntags auch das Fotoalbum aus dem Bücherbord, und sie erzählte viel vom geliebten Vater, damit Horst und Martin ihren „Vati“‚ wie sie ihn nannten, nicht vergessen sollten.  Unter einem Vorwand ging die traurige Mutter zwischendurch mal in die Küche, um ihre Tränen zu trocknen.  Ihre Kinder sollten möglichst unbeschwert und fröhlich aufwachsen.  Im weitläufigen Volkspark, der nahe ihrem Zuhause lag, konnten Horst und Martin sich, wenn sie ihre Schulaufgaben erledigt hatten, nach Herzenslust austoben.  Dort hatten sie auch ihre Freunde gefunden.  Aber jeden Sonntag gingen die beiden Brüder gerne in die Luther-Kirche zum Kindergottesdienst, weil die junge Gemeindehelferin die Geschichten aus der Bibel spannend erzählen konnte.

Am 3. Sonntag im Advent schien die Wintersonne strahlend und tröstend vom blauen Himmel.  Die Kinder hatten unter Anleitung im Kindergottesdienst Strohsterne gebastelt.  Diese schlichten schönen Sterne wollten sie bis zum Heiligabend noch verstecken und dann ihrer Mutti schenken. 

Plötzlich klingelte es an ihrer Wohnungstür.  Horst war zuerst an der Tür und öffnete.  Ein Mann in einer verschlissenen graugrünen Wehrmachtsuniform mit einem von Ödemen entstellten Kopf stand dem erschrockenen Jungen gegenüber.  „Vati, bist du es?“  „Ja, mein großer Horst, ich bin es, dein Vater.“  Inzwischen waren der heitere Martin und die ahnungslose Mutter im langen Korridor erschienen.  Die Mutter erlitt einen Schreikrampf, Horst stand daneben und weinte bitterlich.  Der achtjährige Martin lachte vor Freude.  Erst langsam löste sich der Schockzustand der Mutter auf.  Dann umarmten sie sich alle gleichzeitig. 

Die wunderbare Nachricht, dass schon die ersten Heimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft im Advent 1945 entlassen wurden, verbreitete sich schnell in der Nachbarschaft und der näheren Umgebung.  An den folgenden Tagen klingelte es immer wieder an ihrer Wohnungstür.  Eine Nachbarin hatte zwei Eier in einem Stückchen Papier eingepackt.  Das waren die letzten, die sie selber hatte.  Sie schenkte sie aus vollem Herzen.  Ihre Hände streichelten dem Heimkehrer das entstellte Gesicht.  „Ich freue mich so sehr mit Ihnen!“  Dann verschwand sie leise.  Aus der Straße, in der sie wohnten, kamen auch mitfühlende Menschen und wollten etwas helfen, so gut sie es konnten.  Ein Mann brachte ein paar Heringe, die er entbehren konnte.  „Damit Sie wieder zu Kräften kommen“, mit diesen Worten umarmte er den von der langen Kriegsgefangenschaft gezeichneten Mann.  In den nächsten Tagen bekam die nun wieder vollzählige Familie immer wieder lieben Besuch.  Ein großes Stück Brot schenkte ihnen eine Hausnachbarin.  Über das große Geschenk staunte der blonde Martin und jubelte: „Vati, dann kannst du dich aber wieder mal richtig satt essen.“  Und alle freuten sich mit.  Am Heiligabend bekam die Familie von einem bisher unbekannten alten Mann ein gutes Stück Wurst geschenkt.  „Ich habe von Ihrer Heimkehr gehört und kann in meiner Wohnung nur mit gutem Gewissen meine Wurst essen, wenn ich nicht vorher mit ihnen teile, was ich auch geschenkt bekam.“  Dem Vater liefen Tränen der Rührung über sein Gesicht.  Der Unbekannte streichelte den beiden staunenden Kindern über ihre Köpfe.  „Ein gesegnetes Weihnachtsfest wünsche ich von Herzen.“  Dann ging er aus der Tür.  Horst und Martin jubelten vor Freude.  „Mutti, so viele gute Lebensmittel haben wir nur geschenkt bekommen, weil unser Vati endlich wieder bei uns ist.“

Als die beiden Brüder am Heiligabend vom Krippenspiel, das in der Kirche aufgeführt wurde, heimkamen, stand ein kleiner Weihnachtsbaum vor ihrer Wohnungstür.  Sie klingelten, und die Mutter öffnete ihnen die Tür.  „Mutti, der schöne Weihnachtsbaum stand auf unserer Fußmatte.“  Die glückliche Mutter schloss ihre beiden Jungen in ihre Arme: „Wir werden immer noch so liebevoll von anderen Menschen beschenkt.  Horst und Martin, helft mir bitte beim Schmücken des Weihnachtsbaumes.“  „Ja, gerne Mutti.  Dann möchten wir dir auch schon unsere Geschenke überreichen.  Wir hängen sie gleich an den Baum.  Diese schönen Strohsterne haben wir bei Frau Ortmann im Kindergottesdienst selber gebastelt.“  „Ich danke euch dafür, meine geschickten und fleißigen Söhne.“  „Wenn wir alles geschmückt und gemütlich gemacht haben, wecken wir erst unseren Vati“, sagte Martin.  Und seine Kinderaugen strahlten.  Dann saß der Vater in seinem Sessel, und unter Tränen der Dankbarkeit sagte er: „Das ist das glücklichste und schönste Weihnachtsfest, das ich jemals erlebt habe.  Wie froh und dankbar ich bin, dass ich euch gesund in unserer vertrauten Wohnung wieder gefunden habe.“

  Weil die Zeitzeugen langsam aussterben, ist es für mich ein großes Anliegen, diese wahre Geschichte aus dem Jahre 1945 aufzuschreiben.  Als mein lieber Vetter mir sein unvergessliches Erlebnis von der Heimkehr seines vermissten Vaters aus russischer harter Kriegsgefangenschaft erzählte, war meine Seele so tief berührt, vor allem von der Nächstenliebe unter den Menschen, trotz der eigenen Armut.  Die Liebe der armen Mitmenschen war sichtbar und fühlbar.  Sie wärmte die Herzen der Beschenkten und auch der Gebenden.

Das Zeitgeschenk

 Der schlichte grüne Adventskranz auf dem rustikalen hellen Holztisch ist mit dicken weißen Kerzen, vergoldeten Bucheckernhülsen, Lärchenzapfen und Strohsternen geschmückt.  An den Fenstern leuchten gelbe und rote Transparent-Sterne, die vor etlichen Jahren von den geschickten Händen der Frau gebastelt wurden.  Früher, als die Kinder noch im Hause waren, hat sie mit viel Eifer und Fleiß jegliches Gebäck und die großen Christstollen selber gebacken.  Als Familienmutter hat sie immer für eine gemütliche Atmosphäre und ein warmes Nest gesorgt.  Ihren Mann zog es auch an den Wochenenden in seinen Beruf.

Inzwischen sind die Kinder längst erwachsen und in die Fremde gezogen.  Der Ehemann ist in den Ruhestand gegangen.  Die ehemalige Familienmutter hat sich rechtzeitig selber eine erfüllende und Freude bringende kreative Beschäftigung aufgebaut.  Sie könnte eigentlich mit ihrem Leben zufrieden sein.  Doch ihr Mann enttäuscht sie.  Ihn zieht es immer wieder in weite Ferne.  Er ist innerlich unruhig, obwohl er sich sehr gut selbst beschäftigen kann.  Die sensible zarte Frau erkrankt an Krebs.  Sie trägt alles allein und kämpft tapfer gegen die heimtückische Krankheit an.  Andere schwere Erkrankungen kommen hinzu.  Es kommt immer häufiger zu lieblosen Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten.  Eines Tages wird diese Frau von ihrem Mann nach etwa 40 Ehejahren hinterrücks verlassen.

Noch im Schockzustand greift sie zum Telefonhörer.  Weit entfernt wohnt ihre beste Freundin.  Sie muss sprechen dürfen, einfach so, wie ihr jetzt ums Herz ist.  Sonst erstickt sie an ihrer schmerzvollen Enttäuschung.  Es wird ein sehr langes Gespräch.  Sie darf allen Ballast ihrer kranken Beziehung abladen.  Endlich brechen sich Tränen ihre Bahn, und ihr ist, als würden schwere Steine aus ihrer Seele rollen.  Die Freundin hat Zeit, Geduld und Einfühlungsvermögen.  Sie sagt nicht, dass sie eigentlich für ihre Familie das Abendbrot auf den Tisch bringen sollte.  Und sie sagt auch später nicht, dass sie eigentlich heute Abend zur Chorprobe wollte.  Auch wenn 700 km zwischen den beiden Freundinnen eine weite räumliche Entfernung sind, schenkt die Gesunde wärmende Nähe, viel Verständnis und Bereitschaft zum Zuhören aller Klagen und Nöte der vom Schicksal stark Benachteiligten in vielen langen Telefongesprächen.

In den weiteren Adventswochen, wenn die Einsame andere Freundinnen anruft, damit sie mal sprechen kann, bekommt sie nach ein paar Minuten schon zu hören: „Du, es tut mir ja leid, aber ich habe mir vorgenommen, heute das Haus gründlich zu putzen.“  Und schnell wird der Hörer aufgelegt  Eine andere Freundin klagte über die viele Arbeit vor dem Weihnachtsfest.  Und diese Klage hörte sich so an: „Ich habe noch nicht mal alle Geschenke beisammen, will noch viele Plätzchen backen, usw.  Dafür hast du doch sicherlich Verständnis.  Und jetzt entschuldige mich bitte.“  Die Frau lernt in dieser schweren Zeit ihre so genannten Freundinnen sehr gut kennen.

Auch an den Weihnachtsfeiertagen, wenn angeblich alle Familien friedlich beisammensitzen und die Geburt des Retters der Welt feiern, haben die meisten Menschen kaum ein wenig Zeit für die vielen Einsamen in unserer Gesellschaft.  Das spürt die plötzlich Verlassene.  Darum ist sie so dankbar, dass ihre Freundin auch an Weihnachten treue Nächstenliebe praktiziert und ihr selbstverständlich das größte Geschenk überreicht, dass sie sich nicht mal für Geld kaufen kann: viel Zeit, gefüllt mit Zuhören, Verständnis und Wärme.

Eröffnung des Weihnachtsmarktes

Beate schaut mit Interesse täglich in die Tageszeitung.  Unübersehbar wird dort rechtzeitig auf den Weihnachtsmarkt hingewiesen und einladend informiert.  Auch der Nikolaus ist für die Kinder angekündigt.  Tante Beate denkt dabei gleich an ihren kleinen vierjährigen Neffen, der auch ihr Patenjunge ist.  Die kinderliebe Patentante möchte an ihrem freien Nachmittag mit Samuel zum Weihnachtsmarkt fahren.  Mit ihrer Schwägerin wird sie sich schnell einig. „Martina, ich hole dann am Freitag pünktlich um 17:00 Uhr deinen lustigen Samuel bei dir ab.“ – „Gerne, liebe Beate, du entlastet mich dadurch.  Dann kann ich mich um Jonathan und Benjamin intensiver kümmern.  Der temperamentvolle Samuel stört die größeren Brüder manchmal auch bei den Hausaufgaben.“

Samuel drückt schon seine kleine Nase von innen an die Haustürscheibe.  Dann sieht er aber schon, dass seine liebe Patentante aus ihrem Auto aussteigt.  Der erwartungsvolle Junge juchzt vor Freude.  „Tante Beate, wir können gleich zum Nikolaus fahren.“ – „Aber ich will doch noch deine Mutti und deine Brüder begrüßen.“  Martina wünscht den beiden noch einen schönen Nachmittag.  Jonathan und Benjamin rufen noch ihrem Bruder hinterher: „Kleiner, grüß den Nikolaus auch von uns.“

Das Gemeindehaus ist adventlich geschmückt.  Wie jedes Jahr wird mit den Kindern zuerst aber ein wunderschöner Laternenumzug durch die Straßen gemacht.  In der winterlichen Dunkelheit leuchten die vielen verschiedenen Laternen, die mit Hilfe so mancher Mutter wunderschön gefertigt wurden.  Wahre Kunstwerke kann man in dem Laternenumzug entdecken.  Und nicht nur die Kinder singen das schöne passende Lied: „Ich geh mit meiner Laterne, und meine Laterne mit mir, dort oben leuchten die Sterne und unten leuchten wir.“  Es entsteht eine bezaubernde Stimmung.  Im Gemeindhaus wieder angekommen, werden die Kinder schon vom Nikolaus freundlich empfangen.  Der stattliche Mann im roten Mantel trägt auf seinem Rücken einen großen braunen Sack.  Liebevoll streichelt der Nikolaus jedem Kind über den Kopf.  Samuel fürchtet sich nicht vor dem großen Mann mit dem langen weißen Bart.  „Was hast du alles in deinem Sack versteckt? fragt der Vierjährige.  „Dann will ich jetzt mal den Sack aufbinden und alle lieben Kinder beschenken.“  Der Nikolaus verteilt großzügig Süßigkeiten und Karten für Karussellfahrten.  Als der Sack fast leer ist, weiß der Mann im roten Mantel nicht mehr so genau, ob er auch alle Kinder beschenkt hat.  Samuel wird vom Nikolaus gefragt: „Kleiner Junge, hast du auch etwas geschenkt bekommen?“ – „Ja, lieber Nikolaus, du hast mir schon zwei Geschenke gegeben.“  Nikolaus streichelt Samuel über seinen dunklen Haarschopf und sagt: „Weil du so ehrlich bist, bekommst du noch etwas.“

  Tante Beate fährt mit ihrem fröhlichen Patenjungen erst zu seiner Großmutter.  Beate weiß, dass ihre Mutter sich sehr an ihren Enkelkindern freut.  Die stets interessierte Großmutter fragt: „Na, Samuel, wie war es denn beim Nikolaus?“ – „Oma, ich war beim Sandmännchen!“ Und alle drei lachen aus vollem Herzen.

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Wer klopft an unsere Tür?

 Der dreizehnjährige Martin und seine elfjährige Schwester Sophie helfen ihrer fleißigen Mutter gerne bei den Vorbereitungen für das Weihnachtsfest.  Sie haben in der Adventszeit mit viel Spaß zu dritt leckere Kekse gebacken.  Die Mutter ist bestrebt, alles so vorzubereiten, wie es jedes Jahr in der Familie üblich war.  Die Kinder sollen sich möglichst wohl fühlen können.  An den Sonntagen im Advent haben sie auch mit Freuden verschiedene wunderschöne Strohsterne gebastelt.  Die tüchtige Familienmutter hat auch rechtzeitig den heiß begehrten Christstollen gebacken.

Vor sechs Wochen ist der Familienvater nach einem heftigen Streit, der sich zwischen dem Ehepaar ereignet hatte, spontan aus dem gemütlichen Reihenhauschen ausgezogen.  Seitdem leiden Martin, Sophie und auch ihre Mutter sehr unter dem Verlust des Vaters.  In diesen vergangenen Wochen hat der Familienvater nichts von sich hören lassen.  Die tapfere Mutter versucht möglichst, vor den Kindern nicht zu weinen.  Der große Sohn unterstützt seine Mutter beim Aussuchen und Transportieren des schönen Tannenbaums.  Am Heiligenabend schmückt das Dreierteam in bedrückter Stimmung den prächtigen grünen Nadelbaum.  Sophie hat im Kunstunterricht in der Schule farbige Transparentsterne gebastelt.  Diese roten, orangenfarbenen und gelben Sterne zieren schon seit dem ersten Advent alle Fenster in dem weißen Reibenhäuschen.

Wie jedes Jahr bereitet die Mutter den leckeren Kartoffelsalat in der Küche.  „Kinder, hört ihr auch ein leises Klopfen an unserer Haustur?“ - „Ja, Mutti“, antwortet Martin, der gerade im Flur steht.  „Dann schau doch mal, wer da anklopft.“  Der Junge öffnet vorsichtig die Tür.  Da steht ihm ein Weihnachtsmann gegenüber, der sein Gesicht hinter einer Maske versteckt hat.  An dieser fremden Maske klebt ein üppiger weißer Bart.  Bekleidet ist er mit einem langen roten Mantel und schwarzen Stiefeln.  „Wir haben keinen Weihnachtsmann bestellt“, ist Martins erste spontane Reaktion.

  Der Weihnachtsmann bittet dann sehr freundlich: „Darf ich trotzdem in euer schönes Häuschen kommen, die leuchtenden Sterne an den Fenstern haben mir Mut gemacht.“  Der Junge ruft in die Küche hinein: „Mutti, darf ich den Weihnachtsmann hereinlassen?“ – „Ja, wenn er kein Honorar verlangt.“  Der Hereinkommende sagt mit vorgehaltenem dicken Handschuh vor seinem Mund: „Ich brauche kein Geld, ich möchte euch liebevoll beschenken.“  Sophie fragt den Weihnachtsmann: „Was hast du denn in deinem braunen kleinen Koffer?“ – „Du kannst ihn gerne öffnen, schönes Mädchen.“  Sophie hält in ihrer Hand ein großes weißes Blatt Papier, und sie liest laut vor, was darauf geschrieben steht: „Ich liebe euch alle sehr, bitte verzeiht mir, dass ich euch verlassen habe.“  Da reißt der Vater seine Schutzkleidung schnell von seinem Körper.  Die Maske fällt auf den Fußboden.  Martin sieht, dass Tränen über sein trauriges Gesicht laufen.  Der Junge antwortet zuerst seinem Vater: „Wenn du uns versprichst, dass du so etwas Schlimmes und Dummes nie wieder tust, will ich dir auch verzeihen.  Im Konfirmandenunterricht haben wir das Thema schon intensiv durchgenommen.  Wir leben doch alle davon, dass uns immer wieder vergeben wird.“ - Sophie sagt dann: „Ich verzeih dir auch, Papa.  Aber du musst jetzt immer bei uns bleiben.“ Dann sehen die beiden Kinder mit Freudenglanz in ihren Augen, dass ihr Papa ihre Mutti jetzt lange und liebevoll m seine Arme schließt.  Die Frau streichelt ihrem Mann über seine feuchten Wangen, bis sie die Sprache wieder findet.  „Lieber Sebastian, auch ich will dir verzeihen.  Wir beide können von unseren wertvollen und wunderbaren Kindern immer wieder lernen.“  Dann öffnen die Eltern ihre Arme weit und drücken Martin und Sophie fest an ihre Herzen.  So genießen Eltern und Kinder die Nähe, Wärme und die Liebe, die sie alle spüren und brauchen.  Die vollzählige Familie sitzt später um den wunderschön geschmückten Tannenbaum.  Im Schein des warmen Kerzenlichtes sagt der Vater: „Dass ihr mir großherzig verziehen habt, dafür danke ich euch sehr!“  Das ist ein unbezahlbares und mein schönstes Weihnachtsgeschenk, das ich in meinem Leben bekommen habe.  Endlich ist wieder Frieden in unsere Familie eingekehrt.  Und dieser Friede fühlt sich fühlt sich wie kostbarer weicher Samt an, der unsere Herzen wärmt, und den wir nicht kaputt machen dürfen.“

Der große Wunsch

 Eine außergewöhnliche Freundschaft verbindet den älteren Mann mit einer Frau, die ein schweres Schicksal zu tragen hat.  Ihr Vertrauensverhältnis ist im Laufe der Jahre immer intensiver geworden.  Fast jeden Tag telefonieren die beiden ausgiebig miteinander.  Sie reden nicht nur über das Wetter, sondern die ganz persönlichen Fragen werden verständnisvoll und warmherzig beantwortet.  Durch die Telefonleitung schicken sie Trost, Hoffnung und oftmals auch einen Anlass zum ansteckenden Lachen.  Ihre innige Beziehung wird von dem Bibelwort gespeist: „Einer trage des anderen Last“, (Gal. 6, Vers 2.)  Im Krankheitsfall reist die streichelnde Hand und das tröstende Wort auch bis in die Wohnung des Anderen.  Die körperliche Nähe beruhigt und ist heilsam.

Eine Woche vor Weihnachten fragt der aufmerksame Freund am Telefon: „Was wünschst du dir denn zum Fest?“  Die Antwort kommt schnell.  „Gar nichts, lieber Martin.“  Eine kleine Denkpause entsteht.  Doch dann weiß die Gefragte ihren großen Wunsch zu formulieren: „Lieber Martin, ich wünsche mir von dir weiterhin treue Freundschaft.  Diesen sehnlichsten Wunsch kann ich mir nicht selbst erfüllen, und dieses größte Geschenk ist auch nicht käuflich zu erwerben.  Du kannst doch mit dem Herzen schenken.  Und du brauchst in kein Geschäft zu gehen, um irgendetwas zu kaufen.“  Der Zuhörende am anderen Ende der Leitung schweigt zunächst.  Doch dann sagt er: „Ja, du hast Recht.“

Warum kaufen wir immer wieder sichtbare Geschenke, die der andere vielleicht gar nicht braucht.  Mit unserer Gabe können wir manchmal keinerlei Freude bereiten.  Wollen wir uns vielleicht damit freikaufen?  Wir übergeben unser Geschenk in der Hoffnung, dass es Freude auslösen kann und sitzen bei Kaffee und Kuchen fröhlich beieinander.  Heute wird schließlich Christi Geburt gefeiert.  Da haben die vielfältigen Sorgen nichts zu suchen: die angeschlagene Gesundheit, die Ängste um den Arbeitsplatz und auch nicht die Partnerschaftsprobleme.

  Auffällig ist auch, dass, wenn wir zu einer fröhlichen Feier Menschen einladen, nur wenige verhindert sind.  Aber wenn wir ein Notrufsignal aussenden, es vielen zwar leid tut, dass es uns schlecht geht, sie aber keine Zeit haben, um uns zu helfen.  Sie führen noch viele andere Ausflüchte an, wirklich nicht kommen zu können. Im Krankheitsfall und anderen Notsituationen lernen wir unsere Mitmenschen erst richtig kennen.  Wahre Freunde sind immer zur Hilfe bereit.  Das Aufeinanderzählenkönnen, zeichnet eine tragende Freundschaft aus.  Ein Mensch, mit einem Samariter-Charakter wird dich nicht in deiner Not alleine lassen, weil er sich verantwortlich fühlt und barmherzig handelt.  Er schenkt aus der Fülle seines mitfühlenden Herzens.

Stern mit sechzehn Strahlen

 Anfang Dezember ist der Winter schon mit eisigem Frost und viel Schnee eingezogen.  Über Nacht hat er der kleinen Stadt ein zauberhaft weißes, glitzerndes Kleid angezogen.  Die spitzen Giebeldächer sehen abends im Laternenschein wie verlockende Knusperhäuschen aus.  Leider bleibt die weiße Pracht - zumindest auf den verkehrsbelebten Straßen - nicht lange erhalten.  Die Autofahrer schimpfen über die Glätte, weil diese für sie gefährlich ist, zumal sie morgens eher aufstehen müssen.  Nur die Kinder freuen sich noch vorbehaltlos über den ersten Schnee, der ihnen ja vor allem Winterfreuden beim Rodeln bringt. 

Reinhard wohnt mit seinen Eltern in einem Mehrfamilienhaus.  Tagsüber ist es im Hause sehr still, weil fast alle Bewohner berufstätig sind.  Nur oben in der kleinen Mansardenwohnung lebt eine Ältere Frau, die nur sehr selten das Haus verlässt.  Seit einiger Zeit geht sie nun am Stock.  In der anderen Hand trägt sie die Tasche mit den kleinen Einkäufen. 

Kontakt haben alle Miete nur, indem sie beim Begegnen einander grüßen.  Gleich nach Schulschluss läuft Reinhard schnell nach Hause.  In der letzten Unterrichtsstunde im Fach Kunst hat er unter Anleitung der Lehrerin einen wunderschönen Stern mit 16 Strahlen aus leuchtend rotem transparentem Papier gebastelt.  Zu Hause angekommen, legt er den Stern erst mal in sein Regal, damit er nicht verknickt.  Heute will er gleich nach dem Mittagessen seinen Schlitten vom Boden holen.  Das herrliche Schneewetter muss er doch auskosten.  Der Junge steigt die Treppen zum Boden hinauf und kommt dabei an der Wohnungstür von Frau Martensen, der alten gehbehinderten Dame vorbei.  Auf ihrer Fußmatte liegen mehrere Zeitungen.  Reinhard schließt die Bodenkammer auf und klemmt sich seinen Schlitten schnell unter seinen Arm.  Der große Junge verbringt einen besonders fröhlichen Nachmittag zusammen mit Klassenkameraden auf dem besten Rodelberg der kleinen Stadt.  Doch er muss leider auf seine Uhr schauen, denn heute hat er am Spätnachmittag noch Konfirmandenunterricht.  Dorthin geht er sonst gerne, weil der junge Pastor den Kindern das Evangelium sehr lebendig und lebensnah vermittelt.  An diesem Nachmittag sprechen sie über die Nächstenliebe, und der junge Geistliche motiviert die Jungen und Mädchen gleich, sich alsbald darin zu üben, denn egoistisches Verhalten gebe es genug unter den Menschen. 

Nach dem gemeinsamen Abendbrot mit den Eltern trägt Reinhard noch schnell seinen Schlitten die Treppen hinauf in die Bodenkammer zurück.  Da sieht er, dass die Zeitungen immer noch bei Frau Martensen auf der Fußmatte liegen.  Eigentlich will er sich gleich im Fernsehen noch den Tierfilm anschauen.  Aber nein, er will sich nicht drücken.  Sein Gewissen schlägt: Er denkt auch an das Thema in der heutigen Konfirmandenstunde. 

Mutig drückt er auf den Klingelknopf.  Der Junge lauscht und hört aus dem Innern der Wohnung gar nichts.  Noch einmal betätigt er die Klingel, wartet, ist besorgt und - da hört er endlich langsame Schritte.  Er ist erleichtert, als die alte Dame ganz zaghaft einen Türspalt öffnet.  Auf ihren Stock gestützt sieht sie elend und blass aus.  Sie hat nur ihren Morgenrock über das Nachthemd gezogen.  Reinhard bückt sich, hebt die angesammelten Zeitungen auf, hält sie Frau Martensen entgegen und fragt nach ihrem Ergehen.  Nachdem die Alleinlebende ihre Brille aufgesetzt hat, erkennt sie erst den groß gewachsenen Schuljungen aus dem Parterre.  Da löst sie die Sicherungskette ihrer Wohnungstür und bittet den Jungen zu sich in die Wohnstube. 

„Ja, krank bin ich schon seit ein paar Tagen, und das hohe Fieber hat mich so geschwächt, dass ich nicht aufstehen konnte.“  Reinhard erfasst die Notsituation.  „Aber Frau Martensen, Se zittern ja so.  Darf ich ihnen ihren Hausarzt telefonisch bestellen? Sie brauchen gewiss einen Arzt und gute Medizin.“  Die Kranke lässt Reinhards Fürsorge geschehen.  Nach dem Telefonat brüht er erst mal einen kräftigen Pfefferminztee.  Sie unterhalten sich bis der Arzt eintrifft.  Anschließend läuft der Fürsorgliche gleich zur nächsten diensthabenden Apotheke. 

Die Straßen sind um diese Zeit schon ziemlich menschenleer.  Der Mond steht heute voll am Himmel und wirft einen wunderschönen goldenen Schein auf die inzwischen vereisten Straßen.  Zurückgekehrt, schreibt Reinhard sich noch einen Einkaufszettel.  Etwas Brot, Obst und Milch will er der kranken Frau morgen besorgen.  Als der Junge dann doch ziemlich spät in die elterliche Wohnung zurückkehrt, ist er alleine.  Ach ja, seine Eltern wollten abends noch weggehen.  Der Junge schläft zufrieden ein. 

Am nächsten Tag kauft er gleich nach Schulschluss ein.  Als er mit der vollen Plastiktüte vor Frau Martensens Wohnungstür steht, öffnet diese ihm heute schon mit einem etwas anderen Gesichtsausdruck: Da ist so ein sanftes freudiges Strahlen in ihren Augen zu sehen.  Offensichtlich geht es der alten Dame schon etwas besser.  Zwar hustet sie noch ein wenig, aber das Fieber ist gesunken. 

Und Reinhard fühlt sich bei seiner Nachbarin wohl.  Sie strahlt so eine herrliche Ruhe aus.  Sie hört ihm auch aufmerksam zu.  Der Junge spürt, dass sie seine „Probleme“ auch ernst nimmt.  Er erzählt ihr von der Schule, von der Englischarbeit, die er heute geschrieben hat.  Und zu seinem Erstaunen stellt Reinhard fest, dass Frau Martensen fließend englisch spricht.  „Oh, darf ich mal mit meinen Hausaufgaben zu Ihnen kommen?“  „Aber ja, gerne!  Immer kannst du zu mir kommen, wenn du magst.“ 

In den Adventswochen schreibt der Schüler noch zwei weitere Englischarbeiten, und seine Eltern sind über seine guten Noten angenehm Überrascht.  Da erst verrät der Sohn ihnen etwas von seiner heimlichen Nachhilfelehrerin.  Und Frau Martensen blüht wieder richtig auf.  Die neue Aufgabe fordert sie und macht ihr so viel Freude.  Vor jeder neuen Klassenarbeit üben die beiden Befreundeten besonders intensiv.  Reinhard kauft auch weiterhin für seine liebevolle „Lehrerin“ ein. 

  In den Adventswochen hilft er gerne beim Päckchenpacken und bringt diese auch selbstverständlich zur Post.  Am Heiligen Abend, nachdem der Junge schon mit seinen Eltern gefeiert hat, nimmt er ganz gezielt seinen Transparent-Stern aus dem Regal und klingelt wieder bei seiner Frau Martensen.  Der Alleinlebenden kommen Freudentränen in ihre Augen.  Sie dachte, sie würde, wie schon seit vielen Jahren, zu Weihnachten alleine sein.  Reinhard klebt den roten Stern an die Fensterscheibe im Wohnzimmer, und die beiden unterhalten sich ganz gemütlich über die lange zurückliegenden Schulzeiten, den Konfirmandenunterricht der alten Dame und die schöne Zeit, in der sie als Privatlehrerin in England tätig war.  Dann erzählt der sensible Junge von seinem Pastor und dem Thema der Nächstenliebe. Die Blicke der alten Dame fallen zwischendurch immer wieder auf den leuchtend roten Stern mit den sechzehn Strahlen, der nicht nur ihre Wohnung erhellt.

Das letzte Weihnachtsfest in der Heimat

 

Ich erinnere mich noch so genau daran, als wenn ich diese Ereignisse erst vor ein paar Tagen erlebt hätte: 1944 war es im Dezember bitterkalt, und es lag auch Schnee in meiner Heimatstadt Köslin in Hinterpommern.  Von dem schrecklichen Zweiten Weltkrieg war ich als kleines sechseinhalb Jahre altes fröhliches Mädchen, das noch nicht wusste, was ein Krieg in seinem vernichtenden Ausmaß bedeutet, bisher vor allem dadurch beeinträchtigt, dass mein Vater nicht mehr bei uns war.  Mit der Hilfe meines großen Bruders schrieb ich ihm kleine „Liebeszettel“, die meine schreibfreudige Mutter mit in ihre vielen Briefe legte.  Ich hüpfte fröhlich durch die Wohnung, obwohl es immer öfter auch Fliegeralarm gab.  Im Herbst 1944 war ich eingeschult worden.

Immer wieder wurde unser Schulunterricht durch den Fliegeralarm gestört und musste für diesen Tag beendet werden.  Weil mein Zuhause nicht weit von der Schule entfernt war, lief ich angsterfüllt schnellstens zum Luftschutzkeller, der unter unserem Mietshaus lag.  Auch unser Nachtschlaf wurde manchmal durch solchen bedrohlichen Fliegeralarm zerschnitten.  Das unverkennbare Geheul der Sirenen werde ich niemals vergessen.  Im Luftschutzkeller war es schrecklich kalt.  Da saß die gesamte Hausgemeinschaft auf harten Holzstühlen in ihre Wintermäntel gehüllt dicht beieinander, bis endlich die Sirene die ersehnte „Melodie“ der Entwarnung spielte.  Erst dann durften wir den eiskalten Keller verlassen.  Trunken vor Müdigkeit taumelten wir in unsere inzwischen ausgekühlten Federbetten.

Meine emsige Mutter backte wie jedes Jahr braune Pfefferkuchen für das schönste Fest im Jahr.  Und ich durfte mit dem Pinsel Zuckerguss auf die runden Kuchen streichen.  Dieser verführerische Duft von süßem Backwerk erfüllte unsere schöne Wohnung.  Oftmals saß die Mutter auch an der Nähmaschine, und sie verriet mir nicht, was sie aus den dunkelblauen Stoffresten einer aufgetragenen Trainingshose nähte.  So entstanden die Überraschungen für uns Kinder.  Sie wollte uns trotz des tobenden Krieges ein möglichst schönes Weihnachtsfest bereiten.

Am Heiligabend stand wie jedes Jahr ein frischer Tannenbaum im Wohnzimmer auf einem kleinen Tisch.  Dieser grüne Baum verströmte einen wunderbaren Duft in unserem schönsten und größten Zimmer.  Wie eine silberne Krone thronte die glitzernde Spitze auf der höchsten Erhebung des Christbaumes.  Bunte Kugeln und Lametta schmückten den Baum aus dem nahen Gollenwald.  Ich weiß aber auch, dass ein kleiner silberner Schneemann und ein Glöckchen die schöne Tanne zierten.  Das niedliche Glöckchen, das vorne in der Nähe der Türe hing, hatte mich immer wieder dazu verführt, ihm einen lieblichen Klang zu entlocken.

In unserer Familie wurden an solchen hohen Feiertagen offenbar einige Rituale eingehalten. Der Gabentisch wurde stets mit einer großen weißen Tischdecke verhüllt.  So waren die Geschenke bis zur Bescherung für unsere Augen unsichtbar.  Weil meine Mutter eine Ausbildung in Gesang genossen hatte, war es für uns alle normal, dass wir sehr viele Weihnachtslieder im Laufe der Jahre auswendig singen konnten.  Und die wurden auch schön laut gesungen.  Wir sangen: „Alle Jahre wieder“, „Der Christbaum ist der schönste Baum“, „Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen“ ‚ „Oh, du fröhliche, o, du selige“, aber auch das Lied von Hans Baumann „Hohe Nacht der klaren Sterne“, welches von der nationalsozialistischen Weltanschauung eingefärbt war.  Die Nazis wollten das „jüdische“ Jesuskind totschweigen.  Die Mütter jedoch brauchten sie noch, und die wurden sehr in diesem Lied geehrt: „Mütter, euch sind alle Feuer, alle Sterne aufgestellt, Mütter tief in euren Herzen schlägt das Herz der weiten Welt.“  So lautet eine Strophe des Liedes.  Frauen, die vier Kinder hatten, wurden mit dem Mutterkreuz ausgezeichnet.  Natürlich sollten diese möglichst Söhne gebären, die kaum zum Manne reifen durften, um schon als nicht ausgebildete Soldaten an den Fronten verheizt zu werden.  Aber davon verstand das kleine Mädchen noch nichts. Wenn ich mir heute jedoch als Mutter von drei erwachsenen Kindern und zwei Enkelkindern Dokumentarfilme aus Kriegszeiten anschaue, bricht es mir fast das Herz, wenn ich die Knaben sehe, denen man damals noch zum Schluss des schrecklichen Zweiten Weltkriegs einen Stahlhelm über dem weichen Kindergesicht auf den Kopf setzte, die man in Uniformen steckte und ihnen eine Waffe in die zarten Hände drückte.

Wie wunderbar ist es, dass Kinder in ganz jungen Jahren wie unter einer barmherzigen liebevollen Glocke geschützt sind und in Unbeschwertheit und Fröhlichkeit leben und spielen dürfen.  Ich denke, nur so können Menschen das spätere Leben bewältigen.

  Aber je mehr Lieder wir fröhlich sangen, umso mehr baute sich eine spürbare Spannung in mir auf, die immer stärker und fast unerträglich wurde: Was werde ich wohl vom Christkind bekommen?  Endlich hatte unsere Mutter ein Erbarmen mit uns Kindern.  Ich war damals das Nesthäkchen unter vier Geschwistern.  Unsere Mutter nahm das weiße Tuch vorsichtig von dem Gabentisch und faltete es fein zusammen.  Jedem zeigte sie den Platz, an dem seine Geschenke lagen.  Mein schönstes Geschenk passte Weihnachten 1944 nicht auf den Gabentisch.  In einer anderen Ecke des Weihnachtszimmers lüftete meine Mutter eine Wolldecke, und ein heller wunderschöner Puppenwagen, in dem eine noch schönere Puppe mit dunklen echten Zöpfen lag, kam zum Vorschein.  Ich war sehr glücklich darüber. Trotzdem erkannte ich die zarte Wagendecke und den niedlichen dunkelblauen Anzug mit schicker Baskenmütze.  Diese begehrenswerten Sachen hatte meine Mutter nämlich vor einigen Wochen selber auf der Nähmaschine angefertigt.  Das hatte ich ja beobachtet.  Das Puppenmädchen taufte ich noch am Heiligabend auf den Namen Ingrid.  Die langen dunklen Zöpfe meines neuen Puppenkindes waren eine gute Beschäftigung für mich.  Ich löste die Zöpfe und lernte so das Flechten.  Weil wir eine kinderreiche Familie waren, hatten wir auch ein so genanntes Pflichtjahrmädchen zum Arbeiten im Haushalt und für die Kinderbetreuung.  Und diesem jungen sehr netten Mädchen gehörte bis kurz vor Weihnachten der Puppenwagen mit der wertvollen Puppe.  Meine Mutter hatte per Tausch diese Glückseligkeit für mich erstanden.  Abends sang ich meinem neuen Puppenmädchen ein Wiegenlied vor.

Am zweiten Weihnachtstag kam unsere Oma Berta zu uns.  Meine Mutter fuhr hochschwanger nach Neustettin, der deutsche Name der seit 1945 polnischen Stadt Szczecinek, um unseren Vater zu besuchen.  Neustettin lag von unserer Heimatstadt Köslin nur 68 km südöstlich entfernt.  Die Rote Armee hatte die Deutschen, die ihr an Menschen und Material zehnfach unterlegen waren, zu dem Zeitpunkt noch nicht weiter gen Westen treiben können.  Unsere tapfere Mutter hatte wohl Bedenken, unseren Vater vielleicht nicht mehr wiedersehen zu können.  Doch wir Kinder spielten hingebungsvoll mit unseren neuen Geschenken.  Mitten im tobenden Krieg waren unsere jungen Kinderseelen zum Glück vor dem Ausmaß der kommenden unausweichlichen Katastrophe durch das Nochnichtverstehenkönnen liebevoll geschützt.

Eisblumen

Am Fenster meiner Kindheit
über Nacht gestickt

vom strengen Frost:
phantasievolle Blumen
in glitzerndem Weiß,
schöner noch als Mutters Sofakissen.
Eisblumen,

malerischer Fensterschmuck,
aus paradiesischen Gärten,
duftlos und hart,
aber bezaubernd anzuschauen.

Eisblumen an den Fenstern

 Aus unserer geliebten Heimat in Ostpommern mussten wir Anfang März 1945 flüchten.  Die Russen waren schon in Köslin.  Der letzte Güterzug nahm unsere sechs jungen wertvollen Leben in seine Obhut auf.  Wir befanden uns auf einer höchst dramatischen Flucht bis nach Schleswig-Holstein.  Aber wir waren mit dem Leben davongekommen.

Wir hatten sehr viel verloren: unsere Heimat, die gemütliche Wohnung mit dem wärmenden Kachelofen, unsere Kleidung, unsere geliebten Spielsachen und auch die Lebensmittelvorräte.  In unserem zurückgelassenen geräumigen Keller lagerten in einer großen Kiste einige Zentner Kartoffeln.  Zahlreiche Weckgläser mit Erdbeeren, Birnen, Apfelmus, grünen Bohnen und jungen Erbsen hatten uns aus den Regalen entgegengelacht.  Steintöpfe gefüllt mit Kürbis und Gurken hatten im Winter unseren Speisezettel bereicherten.  Nicht zu vergessen die wertvollen Blaubeeren, die wir fleißig in unserem paradiesischen Gollenwald im letzten Sommer gepflückt hatten.  Unsere Mutter hatte dieses kostenlose vitaminreiche und saftige Beerenobst in Bierflaschen eingeweckt.  Diese wertvollen Lebensmittelvorräte hätten uns noch mindestens den darauf folgenden eisigen Winter ernähren können.  In unserem Kohlenkeller lagerten geschickt aufgestapelt an einer Wand die Briketts, daneben ein Berg von dicken Buchenklötzen.  Dieses unverzichtbare Brennmaterial wurde zum Heizen des Kachelofens und zum Befeuern des Küchenherdes gebraucht.  Es hätte uns gewiss einen langen extrem harten Winter über wärmen können.  Wenn meine Eltern alle erforderlichen Vorkehrungen für den bevorstehenden Winter getroffen hatten, sagte meine Mutter erleichtert und zuversichtlich: „Jetzt kann der Winter kommen.“  Aber dem nachzutrauern, was man verloren hatte, verbraucht seelische Kräfte.  Darum Rückblende zu.

Jetzt brauchten wir alle unsere körperlichen und seelischen Kräfte zur Bewältigung unseres schweren Alltags.  Wir Flüchtlinge waren nicht willkommen in Schleswig-Holstein.  In den Jahren 1946/47 lebten wir alle noch von Lebensmittelkarten.  Und die zugeteilten Rationen waren sehr karg bemessen.  Ich besitze noch eine Lebensmittelkarte aus dieser Zeit.  Schon taucht in meinem wertvollen Gedächtnis eine alte traurige Erinnerung auf.  Mein zwölfjähriger großer Bruder hatte beim Einkauf unglücklicherweise zwei dieser unverzichtbaren Karten verloren.  Und es gab keinen Ersatz dafür.  Er wagte es kaum, nach Hause zu laufen.  Unsere Mutter musste noch mehr „Streckschmalz“ in der Bratpfanne zu einem essbaren Brotaufstrich zaubern.  So bekam die ganze Familie einen Monat über noch weniger als ohnehin schon zu essen.  Und der Monat war lang.  In dieser Hungersnot bettelten wir Kinder an den Haustüren der einheimischen Bauern, die Mehl, Zucker, Eier, Erbsen, Würste, Schinken und Kartoffeln reichlich besaßen.  Manchmal schenkte uns eine barmherzige Bäuerin eine Schmalz- oder ganz selten auch mal eine Wurstschnitte.

Zu diesem ständigen Hunger gesellte sich auch noch das schreckliche Frieren hinzu.  In dem so genannten Altenteil des Großbauern teilten wir uns die Räume mit einer sechsköpfigen Flüchtlingsfamilie aus Ostpreußen.  Zwei kleine Zimmer bewohnten wir.  Wir waren eine Familie, bestehend aus den Eltern und fünf Kindern.  In dem vorderen Zimmer stand ein Ofen, der eine Röhre zum Kochen hatte.  Aber wir hatten kein Brennmaterial.  Wenn wir Kinder schliefen, wanderte mein arbeitsloser Vater in dunkler Nacht in den nahen Wald.  Trotz strengen Verbots raubte er Bäumen dicke Äste und auch Stücke von schon angesägten Stämmen.  Manchmal wurde ich in der Nacht von dem unverkennbaren Sägegeräusch geweckt, wenn meine Eltern die dicken Holzstücke zersägten.  Andere Flüchtlinge besorgten sich auch auf diese Weise ihr Heizmaterial.  Wir wollten auch überleben.  In beiden Zimmern lief in diesem extrem eiskalten Winter das Wasser an den Wänden herunter.  Obwohl wir zu zweit in den Betten schlafen mussten, froren wir erbärmlich.  Mein großer Bruder schickte mich deshalb möglichst eher ins Bett, weil für ihn dann später durch meine Körpertemperatur das klamme Bettzeug schon etwas angewärmt war.  Und wenn unsere Mutter nasses Reisig in den Ofen steckte, qualmte es entsetzlich, und unsere Augen brannten und tränten.  Die Tür wurde dann aufgerissen, und die Kälte strömte in die armselige Behausung.  Eisblumen schmückten in diesem außergewöhnlich harten und bitterkalten Winter monatelang pausenlos unsere kleinen Fenster.  Wir Kinder ließen unserer Fantasie viel Spielraum beim Betrachten der zu weißem Eis gefrorenen Gebilde.  Gräser, Blumen und manchmal auch menschliche Wesen konnten wir erkennen.

Durch diese ausführliche Rückerinnerung entstehen auf meinem bunten abwechslungsreichen Lebensteppich erneut große Flächen froher Dankbarkeit.  Seit vielen Jahren genießen wir die wohlige Wärme unserer Zentralheizung.  Und in der heutigen Zeit können wir das ganze Jahr über frische vitaminreiche Früchte aus aller Herren Länder kaufen.  Gerade im Alter spart das viel Kraft und zusätzlich auch Zeit.

  Vor allem aber ist es das wertvollste Geschenk des Himmels, dass wir Deutschen schon über sechs Jahrzehnte lang ohne jeglichen Krieg im Frieden leben dürfen.  Ich weiß das besonders zu schätzen, weil ich durch die dramatische Flucht als kleines hochsensibles sechsjähriges Mädchen ein Kindheitstrauma erlitten habe. – Guter Gott, segne die Entscheidungen der verantwortlichen Politiker, die sich mit Vernunft und Menschenliebe und mit all ihrer Kraft für den Frieden einsetzen!

Heut schleußt er wieder auf die Tür

   Im Jahre 1949 lebten wir in einem kleinen alten Fachwerkhaus in drei winzigen Zimmern.

Fast jeden Morgen hatten wir eine Maus in der Falle.  Wir mussten unsere wenigen Nahrungsmittel vor diesen immer hungrigen Nagern schützen.  Unseren ersten Küchenschrank bekamen wir 1948 nur, weil wir einen Bezugschein vorlegen konnten.  In diesem neuen Schrank hatte ich auch ein kleines Fach für meine wenigen Kleidungstücke, die überwiegend aus Carepaketen stammten.  Meine Mutter hatte eine Adresse einer liebevollen und fürsorglichen amerikanischen Familie bekommen.  Immerhin war Amerika bis zum Ende des verlorenen Krieges 1945 unser Feind gewesen.  Diese großzügigen Menschen schickten uns, der Flüchtlingsfamilie aus dem deutschen Osten, in Zeitabständen immer wieder begehrte Nahrungsmittel und auch Kleidung.  Mein ältester Bruder konnte schon so gut Englisch, dass er die Dankes- und Bittbriefe unserer Mutter übersetzen konnte.  Den ganzen Winter über trug ich die eine warme Strickjacke, die ich besaß.  Darum konnte sie erst im Frühling gewaschen werden.  Aber dann kam eines Tages wieder ein Carepaket über den Großen Teich zu uns in die armselige Behausung.  Außer Dosen mit Cornedbeef, Milchpulver und Kakao war unter einigen Kleidungsstücken auch ein wunderschöner rosafarbener Pullover für mich dabei.  Diesen besonderen Pullover, im Dornröschenmuster gestrickt, werde ich niemals vergessen können.  Ich bin hochgesprungen vor heller Freude.  Am nächsten Tag kam ich mir in der Schule wie eine Prinzessin vor.  Meine Winterstrickjacke konnte dann endlich gewaschen werden.

Die Adventszeit hielt ihren strahlenden Einzug mit ein paar kleinen Kerzen.  Wenn ich ausnahmsweise mal alleine zu Hause war, saß ich gerne neben dem warmen Kohleherd auf einem Holzstuhl und sang im Dunkeln Advents- und Weihnachtslieder.  Als mein großer Bruder in die Küche kam, sagte er: „Wie gemütlich es ist, wenn du singst.“  Zum Glück hatten wir einen sangesfreudigen älteren Lehrer an unserer Schule.  Dieser Pädagoge hatte mit uns Schülern sehr geschickt ein kleines weihnachtliches Stück eingeübt.  Mit viel Eifer probten wir im Kinderchor „Kommet ihr Hirten, ihr Männer und Frau’n …“  Gerade in dieser so armen Zeit bin ich mit Freuden zu diesen Singproben gegangen.  Weil wir dieses einstudierte Stück in unserem Gemeindehaus für alle aufführen sollten, stellten wir uns einer weiteren Herausforderung.  Ich durfte mit etlichen anderen Kindern als singender Engel mitspielen.  In dieser armen Zeit hatten besonders wir Flüchtlingskinder ein Problem.  Wo bekam ich nun ein Engelsgewand her?  Wir wollten den Zuschauern auch einen weihnachtlichen Anblick auf die Bühne zaubern.  In jenen Jahren nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg war unsere Mutter mit kreativen Einfällen immer wieder spontan gesegnet.  Ein langes weißes Nachthemd meines großen Bruders, das im Koffer auf der Flucht noch ein Plätzchen in einer Ecke gefunden hatte, erlebte jetzt seine Premiere auf der Bühne eines Gemeindehauses in Schleswig-Holstein.  Eifrig sammelte ich im nahen Wald kleine frische Tannenzweiglein, die beim Schlagen der Bäume auf dem Waldboden liegen geblieben waren.  Meine erfindungsreiche Mutter nähte die duftenden grünen Zweiglein geschickt in Abständen auf das weiße Hemd.  Aus den übrigen Tannenzweigen band sie mir noch einen Kranz, der mein offenes blondes Haar festlich schmückte.

Am vierten Adventssonntag strömten viele Besucher in den geheizten Saal des Gemeindehauses.  Wir Schulkinder hatten vorher überall einfache, aber freundliche Einladungszettel verteilt.  Auf der Bühne wurde ein Krippenspiel aufgeführt.  Alle Anwesenden lauschten andächtig den Worten der Laienspieler.  Danach kam der große Einsatz des Kinderchores.  Der kleine Engel im tannenbestickten weißen Gewand legte sein heißes Herz in seine kräftige Stimme und sang mit Inbrunst: „Kommet ihr Hirten, ihr Männer und Frau’n …“  Langsam erhoben sich die Zuschauer von ihren einfachen Holzstühlen, und dann setzte ein dezenter anerkennender Applaus ein.  Es fiel mir schwer, das wundervolle Engelskleid vor dem weiten Heimweg von vielen Kilometern auszuziehen.  Im Schutze meiner beiden älteren Brüder wanderte ich glücklich in der Dunkelheit heimwärts.

Ein paar Tage später war dann endlich Heiligabend.  Ich war wie jedes Jahr voller Erwartung, was ich wohl geschenkt bekäme.  Ein kleiner schöner Tannenbaum stand auf dem Tisch in der Ecke, weil wir keinen besseren Platz für den grünen Baum aus dem Wald hatten.  Kerzen und ein wenig Lametta waren sein Schmuck.  Die große Familie saß dicht beieinander und sang viele vertraute Weihnachtslieder.  Mit Rücksicht auf unsere kleine Schwester sagte unser Vater dann: „Ich merke, dass die kleine Gesine die Anspannung kaum noch aushält, darum wollen wir jetzt für heute mit dem schönen Singen aufhören.“  Auf dem Küchentisch lagen unter einem weißen Tuch ein paar Geschenke für alle.  Und ich traute meinen Augen kaum, als ich einen niedlichen Puppenjungen mit krummen Beinchen an meinen Körper drücken konnte.  Welch eine heiße Freude erfüllte mein Kinderherz.  Diese Babypuppe hatte schon eine weite Reise über den Großen Teich von Amerika bis zu uns nach Schleswig-Holstein gemacht.  Sie hatte schon einen Namen, der auf einem Schildchen an ihrem Handgelenk befestigt war.  Billy war meine erste Puppe, die ich nach der dramatischen Flucht aus Hinterpommern geschenkt bekam und die mir alleine gehörte.  Denn alle meine schönen Puppen und anderen liebgewordenen Spielsachen hatte ich in der Heimat schweren Herzens zurücklassen müssen.

Der bunte Teller war für uns Kinder aber auch sehr wichtig.  Ein Marzipanstück, ein paar Kekse und zwei Apfelsinen und Äpfel lagen auf dem bunten Pappteller.  Weil wir das ganze Jahr über keine Südfrüchte kaufen konnten, waren diese saftigen Orangen-Bälle besonders begehrt.  Mein etwas älterer Bruder und ich waren schon im Schlafanzug.  Vor dem  endgültigen Zubettgehen nahmen wir mit diesen „Bällen“ in der Hand, so gut es ging, einen schwungvollen Anlauf in der kleinen Schlafstube und berührten tatsächlich hochspringend mit unseren nackten Füßen die kalte Wand.  Mit den Apfelsinen in der Hand sangen wir dabei beide: „Heut schleußt er wieder auf die Tür …“  Diese wunderbaren Glücksmomente haben bis heute einen unauslöschbaren Platz in meinem Herzen.  Und sie zaubern mir noch heute an kalten Wintertagen ein Lächeln in mein Gesicht.

Weihnachten als junge Mutter

 

In der dunklen Adventszeit sitze ich gerne in der behaglichen warmen Stube und zünde die roten Kerzen am frischen grünen Nadelkranz an.  Die kleinen selbst gebastelten Engel aus Goldfolie zaubern mir auch heute noch eine fröhliche Stimmung ins Herz.  Meine Gedanken eilen zurück.  Jetzt als Ruheständlerin kann ich mir diesen wertvollen Rückblick genussvoll schenken.

Damals in den Jahren zwischen 1960 und 1980 hatten wir als fünfköpfige Familie sehr wenig Geld zur Verfügung.  Als Familienmutter musste ich gut rechnen können.  Kuchen, Stollen und Gebäck, alles habe ich in der einfachen Küche im Gasbackofen mit Freuden selber gebacken.  Weil wir nur eine Ofenheizung in der Wohnung hatten, war der Backofen im Winter eine zusätzliche, von mir besonders geschätzte Wärmequelle.  Und der verführerische Duft aus der kleinen weihnachtlichen Bäckerei erfüllte alle Räume.  Wir probierten an den Adventssonntagen im Kerzenschein schon ein wenig von den süßen Köstlichkeiten.  Das kannte ich schon aus meiner eigenen Kindheit.  Noch heute erinnere ich mich an meine Mutter, wie sie in der Adventszeit runde braune Pfefferkuchen mit Zuckerguss in der großen rustikalen Schüssel im Wohnzimmer auf den Tisch stellte.  Ich hatte zum Glück niemals vergessen, dass ich auch mal ein Kind voller Erwartung, besonders auf das schönste Fest im Jahr war.  Die Freude über ein paar leckere Kekse spiegelte sich in den strahlenden Kindergesichtern.

Sobald unsere Kinder schreiben konnten, hatte ich immer rechtzeitig um einen Wunschzettel gebeten.  Und ich wusste, dass der jeweils sehnlichste Wunsch auf dem Blatt oben an erster Stelle stand.  So hatte ich genug Zeit, in Ruhe ein paar der gewünschten Geschenke auszusuchen.  Abends, wenn die Kinder schon in ihren Betten schliefen, habe ich mich mit dem Häkeln und Stricken von bunter Puppenkleidung beschäftigt.  So entstanden aus Wollresten die schönsten Mützen, Mäntel, Kleider und Hosen.  Dabei konnte ich mich wunderbar nach des Tages Mühen entspannen.  Radiomusik oder auch mal ein Hörspiel hielten mich lange wach.  Am Ende der lichterfüllten Adventszeit, wenn dann alle Blechdosen mit verschiedenen Keksen gefüllt waren, habe ich diese begehrten Köstlichkeiten in unserem kalten Treppenhaus versteckt.  Inzwischen hatte ich auch schon die kleinen gewünschten Autos für unseren Sohn und auch für die drei Jahre jüngere Tochter gekauft.   Für den Jungen nahm ich blaues Papier zum Einpacken, und für das Mädchen wickelte ich das kleine heiß begehrte Matchbox-Auto in rotes Geschenkpapier.

Vor dem Christfest waren die Kinder schon sehr aufgeregt.  In gespannter und froher Erwartung fieberten sie von einem Tag zum anderen.  Endlich stand auf dem Kalenderblatt der 24. Dezember.  Hilfreich war das sonnige und trockene Winterwetter.  Draußen auf dem Kirchplatz rund um die Kirche Maria zur Wiese in Soest spielten unsere Kinder mit ihren Freunden.  So konnte ich in aller Ruhe die letzten Vorbereitungen für das Fest erledigen. Mittags kamen meine beiden Lieblinge hungrig an den Esstisch.  Der ganzen Familie schmeckte der Milchreis mit etwas Butter, Zucker und Zimt wunderbar.  Weil ich dadurch viel Zeit eingespart hatte, konnten wir alle gemeinsam am Nachmittag zur Christvesper in die Kirche gehen.  Zwei stattliche, wunderbar gewachsene Tannenbäume, die mit Kerzen und Strohsternen geschmackvoll geschmückt waren, zauberten eine himmlische Atmosphäre.  Ein beeindruckendes Krippenspiel wurde aufgeführt.  Die kleine Almuth saß still auf meinem Schoß, und Jörg schmiegte sich dicht an meinen Körper.  Alle Kirchenbänke waren mit andächtigen Zuhörern besetzt.  Der tüchtige Küster hatte sämtliche verfügbaren Stühle zusätzlich neben die dicht gefüllten Kirchenbänke gestellt.  Und es strömten immer noch Menschen in die überfüllte Kirche.  Der Küster sprach einen ehrlichen Gedanken aus: „Das ganze Jahr über kommt ihr nicht, nur jetzt am Heiligabend.“  Der Familienvater half dem Pfarrer, indem er für die Aktion „Brot für die Welt“ um Geldspenden bat.  An so einem hohen Feiertag sind die Herzen der Menschen weich, und sie spenden besonders viel für die Armen. Andere Mütter, die ich aus dem Jungmütterkreis kannte, waren auch mit ihren Männern und Kindern in der besonderen Christvesper am Heiligabend in der Kirche.  Obwohl wir noch nicht lange in Soest lebten, hatte ich dadurch ein warmes Gefühl einer Zusammengehörigkeit, wie es in einer wunderbaren Großfamilie sein kann.

  Nach dem Kirchgang hüpften unsere Kinder in gespannter Erwartung nach Hause.  Wir wohnten damals in einer Dienstwohnung im Gemeindehaus, welches ganz dicht neben der Kirche stand.  Unser großer Ofen, der fleißig mit Koks gefüttert wurde, verbreitete eine wohlige Wärme zumindest im Wohn- und Esszimmer.  Mein Mann hatte von einer Dienstfahrt ins Sauerland reichlich frische duftende Sickerfichtenzweige mitgebracht.  In einem kleinen Fensterputzeimer, der mit Wasser gefüllt war und in einer mit Weihnachtspapier beklebten Waschmitteltonne stand, hatten alle üppigen wild gewachsenen Fichtenzweige ein süffiges Leben.  Auf unserem sehr großen Esstisch hatte diese Augenweide an der Stirnseite einen Ehrenplatz.  Unser Sohn sagte dann auch voller Inbrunst: „Das ist ja ein richtiger Weihnachtswald.“  Viele rote Kerzen leuchteten an den kräftigen Zweigen.  Selbstgebastelte Strohsterne zierten den grünen Fichtenwald.  Später gab es selbst gemachten Kartoffelsalat und heiße Würstchen dazu.  Dann rückte für die Kinder die heiß ersehnte Bescherung in greifbare Nähe.  Vorher sangen wir aber noch etliche Weihnachtslieder im kleinen Familienchor.  Almuth und Jörg packten dann in Eile ihre Geschenke aus.  Die Freude über die kleinen Spielsachen spiegelte sich in ihren strahlenden großen Augen.

Je weniger Spielzeug

wir unseren Kindern schenken,

desto schöpferischer können sich die Flügel

ihrer Phantasie entfalten.

 

Diese Kirche ist geöffnet

Langsam steht sie aus ihrem behaglichen Bett auf.  Eine leichte Erkältung hat sich über Nacht in ihrem Körper ausgebreitet.  Vorsorglich hatte sie deshalb reichlich Apfelsinen und verschiedene Teesorten eingekauft.  Ein Blick aus dem Fenster: Dichter Nebel trübt die Sicht. Die Frau kann die alten Lindenbäume kaum erkennen.  Auf den Gottesdienstbesuch am ersten Weihnachtsfeiertag muss sie leider notgedrungen verzichten.  Mittags bereitet sie sich einen kleinen warmen Imbiss.  Um ihre etwas gedrückte Stimmung zu verbessern, zündet sie die vier honiggelben Kerzen am trockenen, aber immer noch schön geschmückten grünen Adventskranz an.

 

Nach einem erholsamen Nachmittagsschlaf treibt es die Frau trotz des immer noch dichten Nebels hinaus.  Draußen auf der Straße spürt sie besonders ihre körperliche Schwäche.  Ihr Fußweg führt sie zielstrebig zur kleinen, ihr seit Jahren vertrauten schlichten Kirche.  Die Einladung an der äußeren Kirchentür „Diese Kirche ist geöffnet“ empfindet die Frau heute an Weihnachten besonders wohltuend und gastfreundlich.  Kein Mensch ist um diese Zeit in der warmen Kirche.  Die wunderbare Stille legt der Frau ein liebevolles schützendes Wolltuch um ihre schmalen Schultern.  Behutsam tastend bewegt sie ihre Füße bis zu dem vielarmigen eisernen Leuchter, auf dem alle Plätze schon mit brennenden Teelichtern bestückt sind.  Trotzdem zündet sie weitere vier Lichter an und kann sie auch noch hinstellen.  Sie sitzt auf der vordersten Kirchenbank, und sie schaut zu den strahlenden Leuchtquellen, wie sie ganz ruhig ihr Licht abgeben.  In ihrem Innersten kehrt dadurch eine wohltuende Ruhe ein.  Langsam schweifen ihre wachen Augen zum Altarraum hinüber.  Ihr Herz bleibt am Kreuz hängen.  Mit gefalteten Händen formen ihre Lippen ein eigenes inbrünstiges leises Gebet.  Rechts und links vom Altar steht jeweils ein stattlicher Tannenbaum, geschmackvoll geschmückt mit Strohsternen und einer Lichterkette, die im Moment ausgeschaltet ist.  Diese weihnachtliche Atmosphäre saugt die Kirchenbesucherin als Wohltat in sich auf.  Dann verlässt sie die Kirchenbank und geht bis dicht vor den Altar.  Dort liegt keine aufgeschlagene Heilige Schrift mehr.  Ein Pastor der Gemeinde hatte ihr vor Jahren davon erzählt, dass Seiten aus der dort liegenden Bibel herausgerissen worden waren.  Sie hatte damals schon den Rat gegeben, das wertvollste Buch der Bücher außerhalb der Gottesdienste in der Sakristei verschlossen aufzuheben, dennoch die dringende Bitte dem Geistlichen ans Herz gelegt, die Kirche tagsüber weiterhin geöffnet zu halten.  Heute, am Weihnachtsfeiertag, ist sie in ihrer Situation besonders dankbar dafür.  Wie wertvoll eine geöffnete Kirche doch ist!  Als die gestärkte Frau den Altarraum verlässt, leuchten ihr noch zwei wunderschöne echte rote Weihnachtssterne in zwei großen Tontöpfen entgegen.  Frohen Mutes tragen sie ihre Füße eilig durch die Straßen an den hell erleuchteten Fenstern der fremden Menschen vorbei.  In ihrer gemütlichen kleinen Wohnung zündet sie alle Kerzen an, die sie auf Vorrat gekauft hatte.  Zu ihrer festlichen Stimmung singt die Frau mit ihrer schönen Altstimme: „Fröhlich soll mein Herze springen ...“

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Winterwunder

Im ruhenden Garten,

im Dezember entdeckt,

wächst sie schadlos trotz Kälte

zwischen Eis und Schnee,

kämpft sich mit ihren zarten Blüten

durch harte Winterverhältnisse

dem Licht entgegen.

Christrose,

du bist ein Wunder im Winter,

eine Vorfreude auf das Paradies.
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Glanz der Nacht

Der Bote Gottes

im weißen Gewand

posaunt die größte Freude

über das nachtdunkle Land.

Hirten eilen auf dem Weg,

folgen dem leuchtenden Stern,

dem Wegweiser zum Stall,

in dem der Heiland geboren ist.

Andächtig fallen sie auf die Knie,

schauen den Retter der Welt

in einer armseligen Krippe.

Dies ist die hellste Nacht

auf Erden.

Glückseligkeit aus buntem Blech

 Das kleine Mädchen wartet auf das schönste Erlebnis, an das es sich erinnern kann.  Und so fragt es voller Ungeduld immer wieder: „Mama, wie lange dauert es noch, bis Weihnachten ist?“ - „Jetzt musst du nur noch dreimal schlafen, dann ist Weihnachten“, sagt die verständnisvolle Mutter.  Die freudige Spannung wächst von Tag zu Tag in dem fröhlichen Kind.  Es spielt hingebungsvoll mit seinen Puppen.  In dieses Spiel versunken spricht die Puppenmutter mit ihren Kindern: „Dreimal müsst ihr noch schlafen, dann ist endlich Weihnachten“, sagt sie und legt das Julchen und den Peter ins Puppenbettchen und deckt sie beide fürsorglich zu.  Die große Vorfreude steigert sich in dem Kind in einen spannungsvollen Zustand.  Es weiß aus der Erinnerung, dass das Weihnachtsfest etwas Wunderbares ist.

Im Heiligenabend steht der duftende grüne Nadelbaum im Wohnzimmer auf einem Tisch.  Geschmückt mit gelben Lichtern, blauen und roten Kugeln, silbernen Glöckchen und einem niedlichen Schneemann, bestaunt das Kind andächtig den Baum, als käme er aus einem verzauberten Märchenwald.  Immer wieder entlockt die Erwartungsvolle dem silbernen Glöckchen einen hellen lieblichen Klang.  Auf dem Tisch liegt eine Decke, die die Mutter nur zu Weihnachten auflegt.  Sie hat auf den weißen Stoff grüne Tannenzweiglein und gelbe Lichter gestickt.  Die Eltern, die Brüder und auch das Nesthäkchen sind festlich gekleidet.  Zuerst singt die Familie viele frohe Weihnachtslieder.  Zwischendurch schweifen die Augen des aufgeregten Mädchens immer wieder zu dem Gabentisch, auf dem einige Schachteln, Kartons und Beutel liegen.  Der Vater versteht die Ungeduld der Kinder besonders gut.  Auf allen hübsch verpackten Geschenken steht der Name des Empfängers.  Weil das kleine Mädchen noch nicht lesen kann, hat die Mutter auf seine Schachteln ein großes rotes Herz gemalt.  Rasch entfernt das Kind mit seinen kleinen Händen die Verpackung.  Die Augen werden sehr groß und das Herz vor Freude weit.  Ein blechernes Puppen-Kaffeeservice, das mit Märchenbildern aus „Schneewittchen und den sieben Zwergen“ bunt bemalt ist, lässt das Herz des Kindes vor Freude glückselig hüpfen.  Dann spielt es ganz versunken und deckt den Tisch für seine Puppenkinder mit einer nicht zu übersehenden Hingabe.  Einen runden braunen Pfefferkuchen bricht die Puppenmutter in kleine Stückchen, verteilt sie auf die „Märchenteller“ und füttert ihr Julchen und ihren Peter mit dem köstlichen Backwerk und den Worten: „So, jetzt sind wir ganz reich und haben selber Teller, Tassen und eine Kaffeekanne.“ - So einfach ist es, ein kleines Mädchen glücklich zu machen!

  Dann kommt das Mädchen in ein Alter, in dem es selber für Mutter und Vater eigene kleine Geschenke bastelt.  Die Mutter bekommt ein selbst genähtes Nadelkissen.  Und Vater freut sich über ein bunt gestaltetes Lesezeichen.  Dies geschieht alles aus einem inneren Bedürfnis heraus.  Jahre gehen ins Land.  Als Auszubildende bekommt die junge Frau am Heiligenabend von ihrem Chef, dem Zahnarzt, dem sie das ganze Jahr über fleißig assistiert und unzählige Überstunden leistet, einen nicht sehr großen Geldschein geschenkt.  Zusammen schlendert sie mit ihrer gleichaltrigen Kollegin nach Praxisschluss in froher Stimmung durch die Einkaufsstraße.  Einen dringend benötigten Regenschirm ersteht sie für ihre weiten Fußmärsche zur Arbeitsstelle bei Wind und Regen.  Für die Mutter kauft sie ein Paar dünne Damenstrümpfe, die immer gebraucht werden.  Die Krönung ersteht sie im Blumenladen: Einen  Mimosenstrauß, so zart und so gelb, wickelt die Floristin in weißes Papier.  Mit diesen kleinen leuchtenden Sonnen im kalten Winter erwärmt sie das Herz der fürsorglichen Mutter.  „Mama, ich möchte dir mit deinen Lieblingsblumen danke sagen, für das oftmals späte Abendbrot, das du mir so liebevoll zubereitest.“

Eine feine Männersache

 

Der achtjährige Johannes ruft seinen sechsjährigen Bruder Sebastian in sein Zimmer, um ihm die Kalendereintragung mit froher Stimme laut vorzulesen, die er mit dem roten Markerstift in Schönschrift geschrieben hat: „Großvater braucht uns beide.“ - „Du, Johannes, hat Großvater Erich nicht gesagt, wozu er uns braucht?“ „Nein, mein Kleiner, das wollte er auch mir nicht verraten, es soll eine Überraschung sein.  Montag nach dem zweiten Advent sollen wir gleich, wenn ich Schulschluss habe, mit der Bahn zu Großvater fahren.“

Die beiden Brüder sitzen spannungsgeladen in der Stadtbahn dicht nebeneinander.  Der aufmerksame Sebastian zählt jetzt schon die Haltestellen, und er kann in seiner von Tag zu Tag sich steigernden Vorfreude, die Endstation seiner Sehnsucht kaum noch abwarten.  Den kurzen Fußweg laufen die beiden flinken Jungen im Galopp.  Ja, wie junge Hengstfohlen springen sie vor Lebensfreude mit einem kecken Sprung über Steine, hohe Gräser und über den noch nicht zugefrorenen kleinen Bach.  Johannes mit den langen Beinen schafft das Überspringen des kleinen Gewässers mit Leichtigkeit, danach reicht er seinem kleineren Bruder fürsorglich die Hand, damit auch er das trockene Ufer nicht verfehlen kann.

In der geöffneten Haustüre steht der Großvater mit einem schelmischen Lächeln auf seinem bärtigen Gesicht, und er hält dann auch schon sein ganzes junges Glück in seinen beiden Armen.  Der groß gewachsene Johannes hat im Herbst dem Großvater Erich im Garten mit Eifer geholfen.  Da hat der junge Gärtnergehilfe stolz die abgeschnittenen Zweige in die Schubkarre gepackt.  Aber jetzt hält der Garten doch seinen wohlverdienten Winterschlaf.  „Kinder, kommt gleich in die Küche, damit wir anfangen können.  Ich hole nur noch schnell die Schürzen aus Großmutters Wäscheschrank.“  Sebastian wirft ein: „Aber lieber Großvater, wir brauchen keine Schürzen mehr, wir kleckern doch nicht mehr beim Essen.“  Dann stehen drei unternehmungslustige Männer, mit weißen Schürzen umgebunden, in der großen hellen Küche, die einen alten riesigen Holztisch in der Mitte beherbergt.  „Wascht euch bitte noch eure Hände schön sauber, aber dann können wir auch anfangen.“  Johannes und Sebastian machen große Augen, als der größte Mann im Bunde, Mehl, Backpulver, Butter, Zucker, Eier, Kakao, Nüsse, Puderzucker und Zitronen aus dem Schrank hervorholt.

 

Schnell legt der aktive Hobbybäcker noch das Rollholz auf den Tisch, und die vielen kleinen Ausstechformen hat er auch bald gefunden.  Johannes kommt gar nicht mehr zum Nachdenken.  Er steht schon mit dem Sieb in der Hand, und sein flinker Großvater schüttet ihm das weiße Mehl hinein.  Währenddessen pinselt Sebastian das Backblech mit Fett gründlich ein.  Ein aufgeschlagenes Ei rutscht ohne Schale mit Vergnügen über die Fußbodenfliesen.  Drei fleißige Bäcker lachen herzhaft darüber, und Johannes will das glitschige Etwas mit Hilfe eines großen Löffels einfangen.  Doch der Verantwortliche holt aus dem Kühlschrank Nachschub.  Der Teig gelingt, das Rollholz wird nun abwechselnd von den eifrigen Jungen geschickt über den Teigkloß gerollt.  „Ich möchte aber viele, viele Sterne ausstechen“, bekundet der rotwangige Sebastian.  Sein Bruder bevorzugt dagegen den Weihnachtsmann-Ausstecher.  Der dritte bei dieser süßen Beschäftigung lässt die Herzform gar nicht mehr los, weil er schon aus Erfahrung weiß, dass Großmama und die drei Enkeltöchter eine Vorliebe für die gebackenen Herzen haben.  Der süße verführerische Duft des Backwerkes erfüllt nicht nur die Küche.  Die Weißbeschürzten sind voll und ganz bei der Sache und bekommen jetzt große Nasenlöcher.  Johannes darf schon das nächste fertige Blech aus dem Backofen ziehen.  Goldgelbe leckere Köstlichkeiten sind nicht nur zum Anschauen da.  Als die ersten Weihnachtsplätzchen abgekühlt sind, sind die Wangen der Kinder immer noch hochrot.  „Wer arbeitet, soll auch essen, denn es steht schon bei 5. Moses 25, Vers 4 in der Bibel: „Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden.“  Mit einer Saftflasche in der Hand, sagt der älteste Bäcker im Bunde: „Jetzt setzen wir uns gemütlich an den großen Tisch, zünden die beiden Kerzen am Adventskranz an und probieren von unseren vorzeigbaren Backergebnissen.“  Die drei Männer genießen in aller Stille und mit großem Appetit die verschiedenen Varianten ihrer Weihnachtsplätzchen.  Sebastian bevorzugt die hellen Kekse mit dem Zitronenguss.  Zwischendurch leckt er genussreich seine fleißigen Bäckerhände ab.

Plötzlich wird die Küchentüre sanft geöffnet, Großmutter und die drei Enkeltöchter kommen herein.  Die Damen haben gemeinsam Weihnachtseinkäufe gemacht.  Die Schüssel auf dem großen Küchentisch wird von den fleißigen Bäckern bald nachgefüllt.  „Auch das Einkaufen macht hungrig, ihr lieben tüchtigen Männer“, gibt Großmama zu bedenken.  Anna, die jüngste Enkeltochter, greift mit ihrer noch kleinen Hand nach dem letzten goldgelben Herz, das sie genussreich in ihrem geöffneten Mund ganz schnell verschwinden lässt, so als wüsste sie, dass sie heute so etwas Herrliches bestimmt nicht mehr bekommt.

„Großvater, wann brauchst du uns wieder“, fragt Johannes und er bindet, schon von der Vorfreude erfüllt, seine nicht mehr weiße Schürze ab.

Der Einfallsreichtum wächst mit der Armut

Im Dezember 1946 hatte Väterchen Frost schon seinen eisigen Mantel über das kleine Dorf im schleswig-holsteinischen Lande gelegt.  Der Fußweg zur Schule war interessant und sehr weit.  Unterwegs verzauberten mich die mit Schnee beladenen Bäume und Sträucher, und auf dem zugefrorenen kleinen Teich glitschte ich nach Herzenslust.  Und bei diesem herrlichen Wintervergnügen, vergaß das kleine Schulmädchen auch mal das Zeitgefühl.  Eine eigene Uhr hatte ich natürlich nicht, und so kam ich auch mal zum Schulunterricht zu spät.

Es war in den geheimnisvollen Adventswochen, als mein Lehrer mit uns Schülern eine Aufführung auf der Dorfbühne einstudieren wollte.  Und ich sollte ein singendes Engelchen spielen.  Trotz großer Freude über die verlockende Rolle hatte das kleine Flüchtlingsmädchen dadurch ein Problem.  Woher bekam ich ein einigermaßen vorzeigbares Kleidchen?  An diesem Tag begleitete mich ein wenig Traurigkeit auf meinem Heimweg von der Schule.  Aber meine Mutter war in diesen schweren Jahren von Tag zu Tag  erfinderischer geworden.  Ganz selbstverständlich nahm sie ein weißes langes Nachthemd von meinem großen Bruder und bügelte mit so viel Liebe das Baumwollene, bis ein Engelskleid daraus wurde.  Und ich sammelte im Winterwald ein paar besonders schöne Tannenzweiglein, die meine Mutter geschickt auf das kostbare  Gewand nähte.  Aus den verbliebenen immergrünen Zweigen band sie dann noch einen Kranz, der mein offenes blondes langes Haar schmückte.  Als der Kinderchor dann auf der Bühne für die ganze Gemeinde „Kommet ihr Hirten, ihr Männer und Frau’n“ sang, legte auch das kleine Engelchen mit dem weißgrünen Kleidchen sein ganzes Herz in dieses Weihnachtslied mit hinein.

Auf dem weiten Heimweg hüpfte die glückselige Freude in der Kinderseele, und der Mund ließ die einprägsame Melodie, des gelernten Weihnachtsliedes, von seinen Lippen springen.  In der darauf folgenden Nacht träumte das arme Flüchtlingsmädchen, von der Verwandlung zum singenden Engel, im schlichten Nachthemd des großen Bruders.

Ein Wunschzettel vieler älterer Mütter

 Meine lieben Kinder,

jetzt in der dunklen Jahreszeit denke ich vielleicht öfter an euch, weil mich das nasskalte Wetter nicht mehr so oft aus meiner warmen Wohnung lockt.  Heute habe ich mir am ersten Adventssonntag eine rote Kerze am grünen Tannenkranz angezündet.  Im Scheine des lieblichen roten Lichtes wandern meine Gedanken bis in die Jahre zurück, in denen ihr mir noch mit strahlenden Kinderaugen eure Wunschzettel für das Weihnachtsfest in meine Hände gedrückt habt.  Ich habe die Reihenfolge eurer Wünsche immer sehr ernst genommen.  An oberster Stelle stand jeweils euer sehnlichster Wunsch.  Inzwischen könnt ihr euch nun eure materiellen Wünsche selbst erfüllen.  Doch jetzt, da ihr alle in die Ferne gezogen seid, schreibe ich euch unaufgefordert einen sehr aufrichtigen Wunschzettel, und ich fühle in meinem Herzen, dass gewiss viele Mütter erwachsener Kinder insgeheim auch meine Wünsche verspüren.  Äußerlich fehlt mir nichts.  Ich habe eine gemütliche warme Wohnung, genug zum Essen und Trinken, zum Anziehen und auch zum Lesen.  Mit zunehmendem Alter merke ich, dass all die vielen Äußerlichkeiten mir immer weniger wichtig sind.  Bitte kauft kein Weihnachtsgeschenk für mich, weil ich mich kaum darüber freuen kann.  Versteckt eure wirkliche Liebe nicht gedankenlos in einem Gegenstand, vielleicht in einer kostspieligen Vase.  Ein Schrankfach ist schon allein mit Vasen gefüllt.  Helft mir lieber beim fälligen Umzug in ein paar Jahren, die überflüssigen Sachen zu verteilen.  Ihr braucht euch euren Kopf nicht wegen eines Geschenkes für mich zu zerbrechen.  Lasst doch ganz einfach euer Herz sprechen.  Schenkt mir lieber ein Stück eurer Zeit, kommt zu mir und habt Muße für ein Anteil nehmendes Gespräch, kehrt für ein paar Stunden in mein Leben zurück, nehmt mich in eure starken jungen Arme, das ist mein heimlicher sehnlichster Weihnachtswunsch an euch.  Dieses Geschenk werde ich mir niemals kaufen können.

Ganz herzlich eure Mutter.

Weihnachtlicher Dialog

 

„Mama, ich weiß nicht, was ich machen soll.“

„Aber Junge, du hast doch zu Weihnachten so viel neues Spielzeug bekommen.“

„Mama, ich kann aber alleine damit nichts anfangen.“

„Lennart, ich muss jetzt die Ente begießen, sonst wird sie zu trocken.“

„Mama, ich brauch dich aber zum Mitspielen.“

„Mein Junge, zum Fest gehören auch köstliche Speisen.“

„Mama, spielst du mit mir, wenn du genug mit der Ente gespielt hast?“

„Aber Lennart, danach will ich doch die Torte füllen.“

„Mama, wenn du die Ente und die Torte genug gestreichelt hast, hast du dann endlich Zeit für mich?“

„Mein Sohn, ich mein es doch nur gut mit dir.“

„Meine liebe Mama, dann steck dir Ente und Torte an den Hut, und sei mir gut, bring zwei Butterbrote mit ins Zimmer und spiel und kuschele so lange mit mir, wie mit deiner Ente und der dreistöckigen Torte.“

Die bunte Wundertüte

 Der kleine zarte Jörg und die große kräftige Saskia kennen sich schon seit zwei Jahren.  Beide sehen sich aber nur einmal wöchentlich im Segelverein.  Die Kinder gehen auf verschiedene Gymnasien.  Jörg ist 14 Jahre alt und zwei Jahre älter als die hübsche Saskia.  Wegen seiner auffallend zarten äußeren Erscheinung wird der sensible Junge bei den anderen Schülern nicht voll anerkannt.  Und in der Rolle des Außenseiters fühlt Jörg sich auch nicht wohl.  So zieht sich der Junge immer mehr von den anderen Kindern zurück.  Darum ist es nicht verwunderlich, dass der schlanke  Junge sich immer mehr in das Lesen vertieft.  So hat auch der introvertierte blonde Knabe schon längst einen Zugang zu kleinen Gedichten gefunden.

 

Die dunkelhaarige Saskia mit ihren hübschen braunen Augen übersieht den stillen Jungen aber keineswegs.  Sie mag seinen feinen Umgang mit Mädchen besonders.  Sein liebes Wesen fällt ihr schon länger auf.  Er ist spürbar anders als die Jungen in seinem Alter, die sie kennt. 

Im Heiligabend holt ihre Mutter die Post aus dem Briefkasten herein.  Vor der Haustür in der Ecke steht eine kleine bunte Weihnachtstüte.  Auf einem selbst gebastelten Anhänger steht der Name ihrer Tochter.  Bis zur Bescherung am Spätnachmittag versteckt sie die Überraschung.  Traditionsgemäß begehen Mutter und Tochter den Heiligabend feierlich im Kerzenschein des frisch geschlagenen duftenden grünen Tannenbaumes.  Saskia flötet zu den Weihnachtsliedern, die ihre Mutter mit ihrer schönen Altstimme singt.  Danach schenken sie einander kleine liebevoll ausgesuchte nützliche Sachen.  Dann reicht die Mutter die gut verschlossene farbenfrohe Tüte ihrer fröhlichen Tochter mit den Worten: „Was mag da wohl drinnen versteckt sein?“  Dann wird es ganz still in der weihnachtlich geschmückten  Stube.  „Mutti, guck mal, diesen hübschen Mädchenkugelschreiber mit dem Notizblock und dem Hirtengedicht hat mir Jörg geschenkt!“  Und die Mutter freut sich über die strahlenden Augen ihrer einzigen Tochter.  Dieses zarte Gedicht ist mit dem Kosenamen "Wichtel" unterschrieben.  Saskia drückt diese zärtlichen Geschenke an ihre Brust.  Das erste zarte Wunder der Liebe erfüllt das Herz der reich Beschenkten.  Das Gedicht wandert die Treppe hinauf und findet einen warmen bleibenden Platz unter dem Kopfkissen des glücklichen Mädchens.  Weil sie Paul von ihrem Glück ein Stück abgeben möchte, stellt sie ihm zum Jahreswechsel ein niedliches rosa Schweinchen, versteckt in einer Julklappverpackung, vor seine Haustür.

Ein unerwarteter Telefonanruf

Der alte Mann sitzt angezogen auf seinem weiß bezogenen Bett in einem hellen Zimmer eines großen Krankenhauses.  Er wartet geduldig auf die Abschlussvisite des Chefarztes.  Eine heimtückische schwere Erkrankung hat diesen Aufenthalt dringend nötig gemacht.  Trotz seiner vielen Termine und Aufgaben widmet der einfühlsame Facharzt sich ganz seinem anvertrauten Patienten.  Der kranke Mann hat das wohltuende Gefühl, dass er diesem Arzt nicht gleichgültig ist.  Gebeugt von der Last der Jahre und dem erneuten schweren Schicksalsschlag, verlässt der Patient auf zwei Krücken gestützt die Station.  Doch er muss den Weg aus der Klinik heraus zu seinem freudigen Erstaunen nicht alleine gehen.  Der Chefarzt drückt den Fahrstuhlknopf, begleitet diesen allein lebenden und gehbehinderten Mann unterstützend aus der Klinik bis an die Taxe, die schon vorgefahren ist.  Noch ein letzter Blickkontakt und ein besonders langer Händedruck des Arztes.  Da quillt es aus dem alten Mann heraus: „Herr Doktor, vielen Dank, dass Sie mich so warmherzig betreut haben, ich werde Ihre außergewöhnliche Fürsorge nicht vergessen.“ 

In den folgenden Monaten unterzieht sich der kranke Mann in einem anderen Klinikum dicht an seinem Wohnort vielen Infusionen und Transfusionen.  Dort wird der Patient von einem jungen Mediziner betreut, der ständig den älteren Facharzt, der die nötige Behandlung ausgearbeitet hat, auf dem Laufenden hält.  Ganz langsam bessert sich der Gesundheitszustand des Schwerkranken.  Der junge Arzt sagt immer wieder in Abständen: „Ihre Blutergebnisse sind schon etwas besser, aber Sie müssen noch viel Geduld haben, und ich soll Sie von meinem früheren Chef grüßen.“  Voller Zuversicht im Herzen fährt dieser Patient nach Hause. 

In der Adventszeit lebt der Kranke sichtlich wieder auf.  Seine Schwester ist zu ihm gekommen, und sie versorgt ihren Bruder sehr fürsorglich.  Jeden Tag ein  schmackhaftes Mittagessen ist für den Alleinlebenden etwas Köstliches.  Er genießt die Verwöhnung, und sein Gesundheitszustand verbessert sich von Tag zu Tag.  Das wunderschöne  Adventsgesteck hat seine mütterliche Schwester selbst gebastelt.  Im milden Kerzenschein sitzen die Geschwister gemütlich bei einer guten Tasse Tee und Gebäck.  Ihre Gedanken gehen zurück in ihre behüteten Kindheitsjahre.  Sie können endlich wieder miteinander lachen, über schöne Erlebnisse die sie beide nicht vergessen haben.  Doch eine Woche vor dem Weihnachtsfest muss die Schwester wieder abreisen.  Diese stille Zeit füllt der tapfere Mann, indem er an Verwandte und Freunde Grüße zum schönsten Fest des Jahres schreibt.  Ein besonderes Bedürfnis ist es für ihn, dem Samariter im weißen Kittel zu danken.  Denn so einem warmherzigen Arzt ist er in seinem langen Leben vorher nicht begegnet.  Am Heiligabend  klingelt am späten Vormittag das Telefon in der stillen kleinen Wohnung.  Der alte Mann lässt seine Zeitung aus den Händen gleiten, meldet sich mit seiner ruhigen, etwas brüchigen Stimme.  Am anderen Ende erkennt er die Stimme des Menschenfreundes mit dem außergewöhnlichen Einfühlungsvermögen.  Beide Männer sind Liebhaber der klassischen Musik.  Das verbindet sie auch.  Nach einem zwanzigminütigen kostbaren Gespräch schließt der Arzt mit den Worten: „Lieber Herr Ambrosius, Sie müssen noch weiterhin Geduld haben, aber mit den neuen wertvollen Medikamenten bekommen wir Ihre Krankheit zum Stillstand.“ - „Ganz, ganz herzlichen Dank, Herr Doktor, Sie haben mir eben ein Freudenlicht angezündet, so als strahle ein Stern nur für mich am Himmel, der mich auf meinem Weg begleitet.“  Nachdem er den Hörer aufgelegt hat, fließen Freudentränen über das gütige Gesicht des kranken Mannes,  der viel Hoffnung im Herzen trägt.

Die Tür ist offen

Die Frau sitzt in der warmen, gemütlich eingerichteten Küche und zieht den noch heißen Kartoffeln mit Hilfe eines Messers und ihren flinken Händen die dünnen Schalen herunter.  So füllt sich die große alte Steingutschüssel schnell mit den noch dampfenden Erdäpfeln, aus denen sie einen köstlichen Kartoffelsalat bereiten will.  Das Küchenfenster hat absichtlich keine Gardinen, damit die Hausfrau bei ihren Arbeiten zwischendurch auch einen Ausblick zum Himmel genießen kann.  Diesen Blick braucht die Familienmutter in den vergangenen sieben Monaten besonders.  Der älteste erwachsene Sohn hat sich im Sommer, ohne seine Eltern zu informieren, ohne jegliche Vorwarnung, ganz plötzlich abgesetzt.  Ohne ein Lebenszeichen von dem Erstgeborenen zu erhalten, leiden die Eltern Seelenqualen, die sich kaum in Worte kleiden lassen.  Sie suchen nach Gründen, nach Schuld, nach Versagen.  Warum tut uns unser Sohn so etwas an?  Warum wirft er seinen akademischen Beruf über Bord, kündigt seine Wohnung, verschenkt seine Habe an seinen jüngeren Bruder, um in einer Sekte zu leben?  Solche und viele andere Fragen kreisen im Kopf der Mutter umher.  Sie hat ihn vor 30 Jahren geboren, ihn mit Liebe großgezogen, und sie leidet wohl am meisten an dieser außergewöhnlichen und belastenden Situation.  Ja, es fällt ihr unglaublich schwer, sich damit abzufinden, dass ihr Sohn nicht mehr ihren Vorstellungen entspricht.

Während die Mutter die abgepellten Kartoffeln in dünne Scheiben schneidet, schickt ihr Herz immer wieder einen Stoßseufzer durch das blanke Fensterglas, das ihr einen Ausblick zum grauen Himmel gewährt.  Scharenweise sieht sie schwarze Krähen am Himmel kreisen, hört ihren freiheitshungrigen Wintergesang.  Dann läuft sie in Gedanken versunken zum rufenden Telefon.  Der vermisste Sohn meldet sich mit fröhlicher Stimme und der Frage: „Kann ich in zwei Stunden mit euch Heiligabend feiern?“ – „Ja, aber selbstverständlich gerne.“

Zwei Stunden Zeit haben die Eltern, sich für diesen heiß ersehnten und gleichzeitig doch auch gefürchteten Besuch innerlich zu rüsten.  Nein, Vorwürfe für dieses unverständliche Verhalten wollen sie ihrem Sohn nicht machen.  Sie wollen versuchen, ihm mit Verständnis zu begegnen, sich in seine neue Welt hineinzufühlen.

Wie zu früheren Zeiten, so ist auch am Heiligabend die nur vom Garten zugängliche Tür tagsüber offen.  Der Heimkommende kann so, ohne auf sich aufmerksam zu machen, durch die niedrige Holztür hineinhuschen.  Zuerst erblickt er mit freudigen Augen seine hoch betagte Großmutter, die in der Küche in einem Kochtopf eine duftende Suppe rührt.  Ein herzliches Begrüßen mit Umarmung und Küsschen auf die Wange genießt so die Älteste der Großfamilie zuerst. Danach schließt er Mutter, Vater, Schwesterchen und Bruder in seine ausgebreiteten Arme. Der Esoteriker versucht die Familie in die Geheimlehren seiner neuen Religion einzuweihen.  Den Eltern bleibt nicht verborgen, dass es offensichtlich ihrem Erstgeborenen seelisch und auch körperlich sehr gut geht.  Während der ehemalige Maschinenbauingenieur der Großmutter beim Tannenbaumschmücken hilft, muss die Mutter doch eine kleine Wehmutsträne aus ihrem angespannten Gesicht wischen.  Später musiziert die ganze Familie auf ihren Flöten, und danach singen sie alle  zusammen.  Am glücklichsten scheint an diesem Heiligabend der „verlorene Sohn“ zu sein.  Ein sanftes Lächeln verzaubert ohn’ Unterlass sein Gesicht.  Diese Zufriedenheit kommt aus seinem Inneren heraus.  Bei Kaffee und Kuchen erzählt der Freiheitshungrige, dass er ohne jegliche Habe sich so leicht fühlt, wie nie zuvor in seinem Leben.  Das Überwechseln in eine andere Weltanschauung mit so viel Ruhe und Gelassenheit wirkt sich sehr positiv auf sein gesamtes Befinden aus.

Als der genügsame „Aussteiger“ spät nachmittags des 2. Weihnachtstages seinen Kragen vom Anorak hochklappt, weil der eisige Nordost ihm kräftig ins Gesicht bläst, lassen die Eltern einen glücklichen Menschen wieder seinen eigenen Lebensweg gehen.  In der darauf folgenden Nacht gehen der Mutter Gedanken durch ihren Kopf, die sich mit dem Sohn beschäftigen, der ihren Erwartungen nicht mehr entspricht.  Ihr Herz antwortet dem Verstand: „Wenn er dabei aber doch glücklich ist, oder willst du nicht, dass dein Sohn zufrieden und froh ist?“  Mit einer stets offenen Haus- und Herzenstür schläft die Mutter dann doch zufrieden ein.

 

Eine ganz normale Familie

 Constanze steht am Tag vor Heiligabend noch zu später Stunde in ihrer neuen modernen Küche. Sie geht voller Eifer ans Probebacken in ihrem Superherd.  Mit der Gebrauchsanweisung in der Hand, schaltet sie immer wieder an verschiedenen Knöpfen, bis sie endlich mit einem sicheren Gefühl den Schokoladen-Nusskuchen in den Backofen schiebt.  Inzwischen bügelt sie noch die Oberhemden ihres Mannes.  Ganz in Gedanken versunken, vermisst die fleißige Allroundkraft dann aber nach einer Stunde doch den erwarteten Duft ihres Backwerkes.  Sie ärgert sich schließlich, als nach neunzig Minuten der Napfkuchen immer noch nicht durch gebacken ist.  Die Hausfrau und Mutter von drei Kindern hat schon einen 14stündigen Arbeitstag hinter sich.  Ihre Beine schmerzen, und auch sonst ist sie ziemlich geschafft an diesem Abend.  Martin, ihr Mann, sitzt nebenan mit den beiden älteren Kindern bequem vor dem Fernseher, während  Anna, das Nesthäkchen, schon in ihrem Bettchen schläft.  Da verliert die vorweihnachtlich Gestresste ihre Beherrschung, und mit Tränen, die die Wut gebiert, sprengt sie im Schnellverfahren alle Gemütlichkeit, die sich im Wohnzimmer eingenistet hat.  „Martin, du bist doch der Elektro-Fachmann, würdest du dich vielleicht mal an deinem Feierabend dazu herablassen, und dich mit der komplizierten Technik unseres neuen teuren gemeinsamen Herdes auseinandersetzen?  Schließlich bemerkst du nicht einmal, dass ich noch arbeite, während ihr drei euch hier herrlich ausruht!“  Der Familienvater hört am Ton der Stimme, dass jetzt unverzüglich seine Hilfe gefragt ist, damit seine Frau nicht noch mehr aus der Fassung gerät.  Felix und Markus schalten betroffen den Fernseher aus, und sie verziehen sich, mit einer Mischung von Ärger und einem etwas schlechten Gewissen,  in ihr gemeinsames Zimmer.  Als nach einer weiteren Stunde des Herumprobierens an ihrem neu gekauften Herd, auch Martin am Ende aller seiner technischen Weisheit ist, bleibt dem Ehemann nicht verborgen, dass Constanze zwar einen fertigen Kuchen für sie alle haben möchte, aber in ihrem offenen Gesicht spiegelt sich auch ein klein wenig Freude darüber wider, dass er ihr in dieser speziellen Situation offenkundig nicht überlegen ist.  „Ob Felix noch wach ist?  Es ist schon so still in dem Zimmer der beiden Jungen.“  Der Vater öffnet zaghaft die Tür zum großen Kinderzimmer und findet seine beiden großen Söhne lesend in ihren Betten liegend.  „Felix, du kannst vielleicht unserem komplizieren neuen Herd 220 Grad Wärme entlocken, komm doch mal schnell in die Küche.“  Der älteste Sohn liest sich ganz in Ruhe die Gebrauchsanweisung durch, schaltet dann den Backofen an und schiebt die teiggefüllte Kuchenform in die beleuchtete Röhre.  Die müden Eltern schauen sich an, und in diesem Augenblick sind sie beide richtig stolz auf ihren tüchtigen Großen.  „So, jetzt stelle ich noch den Wecker ein, damit ich nachher den fertigen Kuchen nicht vergesse, weil ich bis dahin noch lesen werde.  Mutter, du kannst beruhigt schlafen gehen und Vater auch, ich schaffe das schon alleine.“  Martin nimmt seine Constanze in die Arme und sagt: „Wie wunderbar, dass du uns diesen rettenden Bengel geboren hast.“

Am Heiligen Morgen schleicht die vierjährige Anna schon in aller Herrgottsfrühe ganz neugierig und mit einem frohen Erwarten in ihrem Herzen durch das Wohnzimmer und die Küche.  Da die Kleine einen ziemlichen Hunger verspürt, lädt sie der prächtige Napfkuchen, der mitten auf dem Küchentisch steht,  förmlich zum Probieren ein.  Sie bricht sich ein dickes Stück aus der leckeren Köstlichkeit heraus.  „Wenn heute auch keiner aufsteht und Frühstück macht!“  Das ist immerhin eine plausible Entschuldigung für ihr selbständiges Handeln.  Da schaut der pflichtbewusste Vater, mit dem Beil in der Hand, zur Tür herein, und er überrascht die kleine  niedliche Naschkatze, die mit schokoladenverschmiertem Gesicht ihren Papa anlacht.  Martin will auf den Balkon, um den Tannenbaum in den Ständer zu „zaubern“.  Außer dem immergrünen Nadelbaum sind auch noch einige Lebensmittel bei diesen kalten Temperaturen auf dem Balkon stationiert.  „Alle Jahre wieder den Ärger mit dem zu dicken, oder zu dünnen Baumstamm“, poltert der Frühaufsteher lauthals in den kalten Morgen hinein.  „Anna, weck’ doch mal schnell Felix oder Markus, einer muss mir jedenfalls hierbei helfen.“  Der ältere Bruder meint mit Recht, er habe in der Nacht noch den Kuchen aus dem Ofen gezogen, und jetzt sei Markus an der Reihe.  Inzwischen befördert der Vater einige Tüten Milch unbeabsichtigt beim Hin- und Hergerücke des Tannenbaumes eine Etage tiefer, und direkt auf dem Balkon von Frau Schneider platzen tatsächlich Tüten auf, lassen den weißen Kuhsegen ausfließen, der weiter abwärts tropft und tropft.  In diesem Moment erscheint Markus, nur mit seinem Schlafanzug bekleidet, bei seinem werkelnden Vater.  Der Zweitgeborene kann sein Lachen nicht unterdrücken, als er die morgendliche Bescherung wahrnimmt.  „Lach nicht noch so dämlich, hol lieber einen Lappen, damit nicht mehrere Liter Milch den Nachbarn gegen die Fenster spritzen.  Aber zieh dir erst mal was Warmes an, sonst liegt du zum Fest noch mit einer Erkältung im Bett.“  Markus flitzt ins  warme Kinderzimmer.  Derweil versucht Martin mit einem Aufnehmer, der sich bis eben in einer Ecke des Balkons versteckt hielt, die kalte Milch aufzuwischen. Plötzlich ruft eine Frauenstimme aus einer der unteren Etagen in den noch dunklen Morgen hinein: „Sind wir hier in einem Land, in dem Milch und Honig fließen?  Ich warte heute nur noch auf den süßen Honig.“  Martin ist sichtlich erleichtert, dass die alte Frau Schneider trotz dieser Ferkelei noch so viel Humor hat.  Er kennt die Nachbarin nur flüchtig, aber sie grüßen einander immer sehr freundlich.

Inzwischen stehen dem Familienvater beide Söhne hilfreich zur Seite, und sie tragen dann auch den Immergrünen bestens im Ständer verankert in das Wohnzimmer.  Ohne sich abzusprechen, sitzen dann alle fünf Familienmitglieder am Frühstückstisch in der geräumigen Küche.  Mutter hat besonders lange und gut geschlafen, sie lächelt und ist bester Stimmung, auch wenn sie schon bemerkt hat, weshalb Anna überhaupt keinen Appetit mehr an diesem Morgen haben kann.  „Martin, du bist ja richtig durchgefroren auf dem eisigen Balkon, du bekommst die erste Tasse heißen Kaffee.  Und was haltet ihr davon, wenn wir jetzt, sozusagen zur Belohnung für alle, den verführerischen Schokoladen- Nusskuchen essen?“  Keiner legt Widerspruch ein.  Ohne Streit und Vorwürfe genießen sie alle das besondere Frühstück, Anna auf ihre Weise: Sie füttert nach Puppenmutterart ihre blonde Kathrin. Während Martin die letzten schmackhaften Krümel von seinem Teller mit dem angefeuchteten Zeigefinger aufgepickt hat, kommt ihm das verursachte Missgeschick gleich wieder über seine Lippen.  „Ich werde jetzt zu Frau Schneider hinuntergehen, und mich entschuldigen.  Natürlich werde ich ihr auch das mit Milch bespritze Fenster putzen.“  Als der Vater schon die Wohnungstür hinter sich geschlossen hat, staunen Constanze und die beiden pubertierenden Söhne über das ungewöhnlich vorbildliche Verhalten von Martin.

Der Klingelknopf ist schnell gedrückt, die Türe wird von innen geöffnet, und Martin schaut in ein freundliches Gesicht und ist erleichtert.  „Frau Schneider, bitte entschuldigen sie den misslichen Vorfall vorhin, selbstverständlich putze ich ihnen ihr Fenster.  Wie kann ich das nur wieder gutmachen?  Wissen sie, der Heiligabend hat so seine Tücken.“ - „Ja, ich kenne das von früheren Jahren auch, aber kommen sie doch erst mal zu mir herein, wir kennen uns doch nur vom Grüßen im Treppenhaus, Herr Kolmar.  Nehmen sie doch Platz.“  Martin kommt dann ganz natürlich in ein intensives Gespräch mit der  allein lebenden Nachbarin.  Sie erzählt ihm aus ihrem langen und nicht leichten Leben, aber ohne jede Spur von Bitterkeit.  Dann will Martin aber das Fenster reinigen.  „Um mein Fenster brauchen sie sich nicht zu bemühen, das ist schon längst wieder sauber.  Wissen Sie, Herr Kolmar, rüstig bin ich ja noch.“  Martin sitzt der alten Dame schon eine halbe Stunde so dicht gegenüber, und er sagt: „Liebe Frau Schneider, Sie haben mich heute morgen mit ihrem Humor richtig beschenkt, und die Milch ist ihnen schon im wahrsten Sinne des Wortes entgegen geflossen, aber wie kann ich ihnen am heutigen Heiligabend zu etwas „Honig“ verhelfen?“  Nach einer kleinen Denkpause gebiert das Herz der alten Witwe seinen sehnlichsten Wunsch.  „Herr Kolmar, ich würde so gerne mit ihrer ganzen Familie heute am Heiligabend zusammen feiern.“  Martin umfasst die beiden Hände der sympathischen Nachbarin und er gibt ihr seine Zusage.  Er weiß diesbezüglich genau, dass seine Frau damit einverstanden ist, und die Kinder bedauern ohnehin öfter, dass sie keine Großmutter mehr haben.  „Aber, liebe Frau Schneider, sie wissen ja, dass wir drei temperamentvolle Kinder haben.“ – „Gerade auf die Kinder bin ich ja so gespannt.  Einmal noch in strahlende Kinderaugen zur Weihnacht schauen dürfen!  Gibt es eigentlich etwas Beglückenderes?  Einmal noch die Nähe einer ganz normalen Familie hautnah spüren dürfen.  Das ist dann der süße Honig für meine Seele, den ich nicht käuflich erwerben kann.  Diese Freude wird mich noch lange ernähren und gesund erhalten.“

 

Keiner muss Weihnachten allein sein

 In der Adventszeit wird die geräumige und gemütlich eingerichtete Wohnung von Margarete Schober von Tag zu Tag festlicher geschmückt.  In allen Räumen hat die Alleinlebende Krüge und Vasen mit duftendem Tannengrün gefüllt und mit weihnachtlichem Schmuck behängt.  Zierliche gebastelte Engelchen aus Goldfolie und schlichte Strohsterne, die in früheren Jahren unter ihren Händen entstanden sind, bekommen jetzt wieder einen gebührenden Platz.  In ihrer Bodenkammer findet die pensionierte Lehrerin in einer verstaubten und lädierten Pappschachtel überraschenderweise auch noch das Engelsgeläut aus dem Erzgebirge, welches ihre Schulfreundin Ilse ihr vor fünfzig Jahren geschenkt hat.  „Ob Ilse sich noch daran erinnern kann, dass sie mir damals mit dieser besonders lieblich klingenden Weihnachtsmusik große Freude bereitet hat?“, sagt die zierliche alte Dame laut in die stille Wohnung hinein.  Ja, manchmal spricht sie mit sich selber, seit sie keinen ständigen Gesprächspartner mehr hat.

In fünf Tagen wird sich ihr Alleinleben für einen Monat in eine traute Zweisamkeit verwandeln.  Sie wird Ilse vom Flughafen zu der angekündigten Uhrzeit abholen.  Darum befindet sich Margarete jetzt in einem Ausnahmezustand der intensiven freudigen Erwartung.  Alle Vorbereitungen für das große Fest der Liebe fallen der Gastgeberin, die von der Vorfreude genährt wird, in diesen Tagen erstaunlich leicht.  Ja, Margarete fühlt sich tatsächlich stärker als zu anderen Zeiten.  Sie belebt alle in ihr schlummernden Talente, backt einen Mohnstrudel, weil sie noch genau weiß, dass Ilse den so gerne mag.  Der Duft des gelungenen Backwerkes erfüllt die große Wohnung mit seiner köstlichen Süße, und der Eifer hat der stolzen Bäckerin ein zartes Rot auf die Wangen gemalt.  Der Hausmeister hilft mit gekonnter Hand beim Aufstellen des Tannenbaumes.  Margarete Schober bedankt sich bei dem hilfsbereiten freundlichen Mann mit einer Dose voller selbstgebackener Plätzchen.  Von dieser Seite kennt der gute Hausgeist die alte Lehrerin bisher noch gar nicht.  Überhaupt stellt der Hausmeister fest, dass trotz mancher Hektik in diesen Wochen vor Weihnachten einige Menschen um ihn herum verändert sind, weil er sie offener und weichherziger erlebt.  Er bekommt öfter als sonst ein gutes Wort, ein Stückchen Zeit, ein Anteilnehmen an seinem Leben und auch viele kleine liebevolle Aufmerksamkeiten geschenkt.

Während die fleißige Gastgeberin bei der nächsten Vorbereitung für eine gelungene harmonische Zeit mit ihrer liebsten Freundin ist, klingelt das Telefon.  Margarete lässt das frisch bezogene Kopfkissen schnell aus ihren Händen gleiten und begibt sich in die Diele, um das Gespräch anzunehmen.  Eine fremde Frauenstimme erklärt ihr immerhin schonend in englischer Sprache, dass ihre Freundin Ilse ganz plötzlich ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.  „Oh Gott, wie geht es meiner Freundin denn?  Und wie schwer ist sie erkrankt?“  Diese beiden Fragen kommen spontan in ihrer Muttersprache von ihren Lippen.  Erst dann übersetzt die inzwischen Aufgeregte die Worte langsam ins Englische.  Am anderen Ende der Telefonleitung wird der Hörer aufgelegt.  Offenbar hat die Frau dort ihren unangenehmen Auftrag erfüllt.

Zunächst empfindet Margarete diese Trauerbotschaft so, als würde sie ihr das Herz zerreißen, als würde alle Vorfreude sie fluchtartig verlassen.  Mit einem einzigen harten Schlag zertrümmert die nackte Realität das wunderbare Glücksgefühl.  So schnell gibt Margarete aber nicht auf.  „Weihnachten alleine, das halte ich nicht aus.  Selbstverständlich werde ich einen Flug buchen und Ilse besuchen.“

Doch beim anschließenden Telefonat mit dem Flughafen muss die Kämpferische die nächste bittere Enttäuschung schlucken.  Margarete bekommt keinen Platz mehr in einer Linienmaschine einen Tag vor oder am Heiligenabend.  „Alle Flüge nach Amerika sind ausgebucht, meine Dame.  Aber nach Weihnachten können sie jederzeit fliegen.  Soll ich ihnen schon heute einen Platz reservieren?“  Margarete Schober zittern die Knie, und ihr ist, als würde sie für einen kurzen Moment den festen Boden unter ihren Füßen verlieren.  Dann sagt Margarete zaghaft in die Sprechmuschel hinein: „Ich brauche noch etwas Bedenkzeit, ich rufe sie später wieder an.“

Sehr nachdenklich sitzt sie in ihrem Lieblingssessel, und obwohl sie durch ihre Brille schaut, sieht sie nichts mehr klar, bunt und real.  Ein grauer Trauerschleier hat sich blitzschnell, wie eine Krankheit, die alle Freude erstickt, über das grüne Tannenbäumchen, die roten Kerzen, ja, über alle Gegenstände, die vor einer halben Stunde sie noch heiter stimmten, gelegt.  Margarete zündet eine dicke Kerze an und setzt sich wieder in ihren bequemen Sessel.  Ihre Gedanken schweifen hin und her, suchen nach einem guten Ausweg, vielleicht finden sie ja eine akzeptable Notlösung.  Zwar beruhigt sich die Enttäuschte langsam im Schein des Kerzenlichtes, aber eine Problemlösung kommt ihr nicht in den Sinn.  Frau Schober hat in ihrem Leben schon so manche schwierige Situation gemeistert, und oftmals  hat sie in solchen belastenden Momenten, um sich zu sammeln und gleichzeitig etwas Abstand von der Problematik zu gewinnen, zur Tageszeitung oder anderer Lektüre gegriffen.  Ja, sie hat in ihrem Vorbereitungseifer für ein schönes Weihnachtsfest zu zweit ihr sonst so geliebtes und gern gelesenes Tageblatt total vergessen.  „Das Leben geht trotzdem weiter!“, sagt Margarete zu sich selber und kocht sich erst einmal einen starken Kaffee.  Aber sie überfliegt die Artikel der Presse nur flüchtig.  Sie will die Anzeigen mit dem schwarzen Kreuz nicht lesen.  „Nicht mal zu Weihnachten legt der Tod eine Pause ein!“, formen ihre Lippen, und sie blättert schnell verdrängend die leidträchtige Familienanzeigenseite um.  Weiter in der Zeitung blätternd, als wäre sie auf der Suche nach einer Lösung ihres akuten „Notstandes“, findet Margarete  plötzlich auf der vorletzten Seite ihres Tageblattes den erlösenden Satz: „Keiner muss zu Weihnachten allein sein.“  Eine herzliche Einladung von ihrer Kirchengemeinde, am Heiligabend zu einer kleinen besinnlich-frohen Feier, ins Gemeindehaus zu kommen.  Allerdings ist eine telefonische Anmeldung erbeten, wegen des gemeinsamen Essens.  Spürbar erleichtert legt die Fündiggewordene die Zeitung beiseite und meldet sich sogleich für den Heiligabend in ihrer Kirchengemeinde an.  Im Schein der dicken roten Kerze sitzt die pensionierte Lehrerin noch lange am Tag vor Heiligabend.  Erst allmählich weichen Anspannung und Verkrampfungen aus ihrem Körper.  Abends, als sie sich schon zu Bett gelegt hat, breitet ihre Seele ein leises nasses Trauerspiel über ihr schmales Gesicht.

Nach einigen Stunden voller Tiefschlaf, steht Margarete frühmorgens fühlbar gestärkt auf.  Beim Reisebüro bestellt sie sich ein Flugticket für den Tag nach dem Fest.  Zu ihrer Ilse fliegt sie auf jeden Fall; gerade jetzt braucht die Freundin besonders ihre Nähe, ihren Trost.  Vom verführerischen Mohnstrudel schneidet sie ein großes Stück ab, packt es in Folie, um es Ilse mitnehmen zu können.  Den  verbliebenen Strudel will sie als Beitrag zum Büfett zur Feier heute Nachmittag mitnehmen.  Während Margarete Schober noch zwei Päckchen Kerzen in die Tasche packt, schleichen sich erste Zweifel in ihre kühne Entschlossenheit, mit ganz fremden Menschen am Heiligabend die Geburt Christi zu feiern.  Auf was habe ich mich da bloß eingelassen, wem werde ich dort begegnen?  Ist es nicht eine Blöße zuzugeben, dass ich es an diesem besonderen Tag, der mit viel zu hohen Erwartungen überfrachtet ist,  nicht alleine in meinem schönen Zuhause aushalte?  Diese Fragen redet mein Kopf mir ein, und mein falscher Stolz ist mir im Wege.  Jedoch meine Seele rät mir: Geh ruhig zu dem Beisammensein, lass dich auf fremde Menschen ein.

Kalter Schneeregen stürmt am 24. Dezember durch die fast menschenleeren Straßen der kleinen Stadt.  Mit hochgeschlagenem Mantelkragen und in alten bequemen festen Stiefeln betritt Margarete das Gemeindehaus.  Gleich hinter der Eingangstür wird sie, mit einem „Herzlich willkommen bei uns“ von einer Dame mittleren Alters begrüßt.  Der warme Händedruck, der intensive Augenkontakt, das Spüren der Nähe eines Menschen, dieses bedeutet schon Labsal für Margaretes Seele.  Ganz selbstverständlich legt sie den Mohnstrudel auf das große Büfett, und sie holt sich aus der Küche ein Messer, um ihn in Stücke schneiden zu können.  In der Küche bleibt ihren aufmerksamen Sinnen nicht verborgen, dass man ihre tatkräftige Hilfe noch gut gebrauchen kann.  Ihr entgeht aber trotzdem nicht, dass der Raum, in dem sich schon etwa dreißig Menschen versammelt haben, sehr liebevoll geschmückt ist.  Warmes leuchtendes Rot bedeckt die lange Tafel, kontrastreich heben die vielen Tannenzweiglein sich davon ab.  Die dazwischen gestreuten Nüsse geben der Tischdekoration eine leicht verspielte Note.  Während die rüstige alte Dame aus der Thermoskaffeekanne eine freundlich hingehaltene Tasse nach der anderen mit dem heißen begehrten Trunk füllt, schauen ihre Augen in interessante Gesichter, die die verschiedenen Leben gezeichnet haben.  Ein besonders hoch betagter hagerer Herr kann seine Tasse nicht selber zum Einschenken reichen, da hilft ihm ganz selbstverständlich seine Nachbarin.  Im Schein der vielen Kerzen, die der langen Tafel einen festlichen Ausdruck verleihen, legt sich auf manches Augenpaar ein feuchter Glanz, während die beisammen Sitzenden die altbekannten Weihnachtslieder singen.  Danach stärken sich alle an den Köstlichkeiten, die das prächtig zusammen gewürfelte Büfett bietet.  Ohne Mühe ist Margarete schnell mit ihrer Tischnachbarin in ein beiderseitig Anteil nehmendes Gespräch vertieft.  Die Initiatorin dieser außergewöhnlichen Feier macht auf das stumme Klavier in der Ecke aufmerksam.  „Kann uns vielleicht einer von ihnen auf dem Klavier begleiten?“  Innerlich entsteht durch diese Frage bei Frau Schober ein kleiner Kampf.  Sie hat schon länger nicht mehr die Tasten dieses wohlklingenden Instruments gedrückt, hat ein wenig Bedenken, dass sie die Weihnachtslieder nicht fehlerfrei spielen kann.  Doch die Herzlichkeit und Wärme, mit der sie hier aufgenommen wurde, sind ausschlaggebend für ihren spontanen Entschluss, das große standhafte Musikinstrument zum Klingen zu bringen.  Hingebungsvoll ist die kleine alte Dame ganz in das Musizieren vertieft, und so geschieht es, dass sie ihren eigenen Kummer für diese Stunde vergisst.  Ein Herr mit weißem Vollbart tritt dann noch vor die Versammelten und sagt gekonnt mit viel Gefühl ein Weihnachtsgedicht auf, das er in seiner Schulzeit einstmals gelernt hat.  Überhaupt hat Margarete den Eindruck, dass hier eine große, nicht blutsverwandte Familie das Fest der Liebe feiert.  Und vielleicht gelingt dieses Miteinander zwischen diesen eigentlich Fremden so gut, weil sie alle der Einsamkeit entflohen sind, und somit froh und dankbar, dass sie hier unter Gleichbetroffenen Nähe und Wärme erfahren dürfen.

Als Frau Schober das letzte abgewaschene Geschirr in den Wandschrank der Gemeindeküche einräumt, ergibt sich für sie noch einmal eine Möglichkeit des Abladens ihrer eigenen Sorgen um die Gesundheit ihrer Freundin Ilse.  Es ist ihre Tischnachbarin, die schon vorhin ein offenes Ohr und ein warmes Herz für sie hatte.

Dann geschieht etwas Wunderbares.  Die fremde Frau, nein nicht mehr eine Fremde, denn sie schenken sich einander volles Vertrauen, schließt Margarete ganz fest in ihre Arme, streichelt stärkend über ihren schmalen Rücken.  Mit Freudentränen in ihren Augen gibt die Beschenkte aus ihrem bewegten Herzen zurück, was sie eben empfangen hat, Nächstenliebe.

Immer noch tobt draußen ein kalter Schneeregen, als die schwere Tür des Gemeindehauses, hinter den letzten Gästen, ins Schloss fällt.  Margarete trägt ihr reich beschenktes Herz, behutsam, wie einen kostbaren Schatz, nach Hause.

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Kontakt: maritimbuch (at) googlemail.com

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Alles gut überstanden?

Gedanken nach dem Weihnachtsfest

 „Alles gut überstanden?“  So fragt mich die Kollegin am Arbeitsplatz, die Nachbarin im Treppenhaus und eine Freundin am Telefon.  Diese Frage höre ich in den letzten Jahren in den Tagen nach dem Weihnachtsfest immer häufiger.  Aber was gibt es da zu überstehen?  Überstehen meint doch etwas, was mit Schwierigkeiten, Anstrengungen oder Schmerzen verbunden ist.  Und wir sind froh, wenn wir so etwas hinter uns gebracht haben.  Warum werde ich danach gefragt?  Kann es vielleicht sein, weil die Mehrarbeit am Mittelpunkt der Familie hängen bleibt, der Mutter, der Hausfrau?  Haben wir es nicht selbst in der Hand, wie viel Aufwand wir treiben wollen?  Muss es denn unbedingt ein großer schön gewachsener Tannenbaum sein, nur weil es immer so war?  Und fünf verschiedene Sorten selbstgebackene Kekse können die festliche Stimmung gewiss nicht herbeizaubern, wenn Mutters Beine vom stundenlangen Stehen in der Küche schmerzen.  Der überladene Gabentisch vermag auch keine Wunder zu vollbringen.  Mir scheint, dass uns die Freude über die Geburt Christi abhanden gekommen ist.  Das Wichtigste haben wir mit viel zu vielen Äußerlichkeiten zugeschüttet.  Die Besinnungslosigkeit kreist zwischen Festessen, Bescherung, Verwandtenbesuchen, Fernsehen und dem nächsten kulinarischen Genuss.

Oder sind unsere Erwartungen an dieses größte Familienfest einfach zu hoch?  Wir sehnen uns nach einem harmonischen Ablauf der festlichen Tage.  Dass uns Weihnachten nicht so leicht gelingen will, kann auch damit zusammenhängen, dass wir unsere heimlichen Wünsche nicht offenbaren.  Mutiger und ehrlicher sollten wir unsere Wunschzettel formulieren.  Vielleicht so an den Ehemann: „Ich brauche keine Goldkette, ich hätte aber so gerne von dir etwas mehr Zärtlichkeit und Zeit.“  Und der Wunschzettel der Tochter könnte vielleicht an die Eltern folgenden Wortlaut haben: „Ihr könntet mich auch mal loben, wenn ich nur eine drei in Mathematik geschrieben habe, schließlich habe ich mich so sehr dafür angestrengt.  Und es wäre schön, wenn einen Abend in der Woche der Fernseher ausgeschaltet bliebe, damit wir gemeinsam fröhliche Spiele machen könnten.“

Ich möchte noch einmal auf die zu hohen Erwartungen eingehen.  Meine Gedanken schweifen dabei sehr weit in meine Kindheit zurück.  Es war im Jahre 1946, und mein Vater hatte uns aus dem Ruhrgebiet einen Koffer voll Steinkohlen geschickt, damit wir wenigstens zu Weihnachten mal nicht frieren mussten.  Meine Mutter und wir fünf Geschwister lebten damals in einer erbärmlichen Behausung in Schleswig-Holstein auf dem Lande.  In den zwei Zimmern, die wir zugewiesen bekommen hatten, lief das Wasser an den eiskalten Wänden herunter.  Nun aber konnte der einzige Ofen beheizt werden.  Er spendete uns wohlige Wärme, bei geöffneter Tür auch Licht während der Stromsperre, und meine Mutter konnte einen Möhrenkuchen zum Weihnachtsfest backen, weil der älteste Bruder, der bei einem Bauern arbeitete, dieses Gemüse geschenkt bekommen hatte.  Wir saßen friedlich und zufrieden an dem alten Holztisch, auf dem auch ein kleiner Tannenbaum stand.  Aus unserem Gedächtnisspeicher ließen wir viele schöne Weihnachtslieder mit Hilfe unserer Stimmen erklingen.  Liederbücher besaßen wir natürlich nicht. Als Flüchtlinge hatten wir ja alles in unserer Heimat zurücklassen müssen.  Der Duft eines frischen grünen Tannenzweigleins, die wohlige Wärme in der Stube, der gemeinsame  Gesang und der gefüllte Magen ergaben zusammen eine Zufriedenheit und Dankbarkeit, die so im Vordergrund standen, dass ich heute gar nicht mehr weiß, ob ich irgend ein kleines Spielzeug bekommen habe.  Ich denke, wir hatten damals keine Erwartungen, und waren dankbar und zufrieden, dass wir doch etwas geschenkt bekamen.  „Alles gut überstanden?“  Diese Frage wurde unserer Mutter damals nicht gestellt.

Wintertanz

 Jonathan und sein Bruder Benjamin gehen beide noch nicht zur Schule.  So kommt es vor, dass ihr hoch betagter und dennoch jung gebliebener Großvater sie ganz unverhofft mit dem Auto abholt.  In der Nacht haben die grauen schweren Wolken sich geöffnet, und bei Minusgraden kam das viele Nass in Form von gefrorenen kleinen Eiskristallen tanzend zur Erde.  Meistens steht der agile Großvater als erster morgens auf.  Beim neugierigen Blick durch das Küchenfenster überrascht ihn eine hohe weiße Decke aus pulvrigem Schnee.  Nein, er schimpft nicht darüber, dass er als Hausbesitzer die weiße Pracht auf dem Gehweg beiseite räumen muss.  Plötzlich hüpft eine alte schöne Kindheitserinnerung in sein jung gebliebenes Herz.  Nach dem gemütlichen Frühstück mit seiner Frau drängt es den kinderlieben Großvater, seine beiden Enkelsöhne mit dem Auto abzuholen.  „Aber fahr bitte vorsichtig“, ruft die Großmutter dem mutigen Autofahrer noch zu.

Die beiden erlebnishungrigen Jungen haben schnell ihre praktischen Schneeanzüge angezogen.  Und der Großvater freut sich, dass er seine Schwiegertochter wenigstens mal wieder für einen Tag entlasten kann, denn bald wird ein Geschwisterchen erwartet.  „Opa, was spielst du heute mit uns?“, fragt der dreijährige Benjamin.  „Ja, ich denke, dass ihr beiden euch etwas von mir wünschen könnt.“  Kaum haben die bewegungsfreudigen Enkelsöhne die Oma begrüßt, da rollen sie sich schon auf der Gartenwiese im jungfräulichen hohen Schnee.  „Opa, lieber Opa, baust du mit uns einen Riesenschneemann?  Wir helfen dir auch tüchtig dabei“, jubelt Jonathan.  „Ja, natürlich, wir drei Männer werden das schon schaffen“, antwortet der fast 80jährige.  Zuerst formen sie kleine Schneebälle, die dann aber in gebückter Haltung auf dem Schneefeld weitergerollt  werden.  So werden sie dicker und dicker, auch größer und schwerer.  Großvater lacht zwischendurch, und er vergisst sogar seine Rückenprobleme bei dieser wunderbaren Therapie.  Die Jungen sind sehr eifrig bei der Arbeit.  Die größte feste Walze ergibt den stattlichen Körper.  Der schöne runde Kopf wird darauf gesetzt, und zwei dunkle Steinchen ergeben die funkelnden Augen.  Großmutter spendiert aus der Küche eine dicke Möhre, damit der Schneemann den frischen Wind riechen kann.  Auf dem Speicher finden die „Männer“ in der großen Schatztruhe einen braunen Schlapphut, über den die Kinder herzlich lachen.  Doch der Schneemann sieht elegant mit dieser Kopfbedeckung aus.  Im Schuppen freut sich ein abgenutzter Reisigbesen, dass er doch noch gebraucht wird.  Das gemeinsame Kunstwerk hat eine stolze Größe von 182 Zentimetern.  Jonathan stellt mit sicherem Augenmaß fest: „Unser Riesenschneemann ist genau so groß wie Opa.“  Und schon fassen sich alle drei bei den Händen und hüpfen nach Herzenslust.  In ihren Augen tanzt die Freude mit.  Die Großmutter schaut durch das Küchenfenster und läuft dann schnell mit ihrem Fotoapparat auf die Schneewiese.  Sie hält die sichtbare Glückseligkeit der tanzenden Männer vor dem mannshohen Schneemann mit einem Schnappschuss fest. 

Der Großvater bringt die beiden müden Freudenbringer abends wieder in die Obhut ihrer Mutti.  Heute drücken Jonathan und Benjamin ihren fleißigen Mitspieler besonders fest, und sie verabschieden sich mit einem knallenden Küsschen.  Zwei Tage später klettern die Tagestemperaturen schnell, lassen den schönsten Schneemann im Garten immer kleiner werden.  Dieses unbezahlbare winterliche Erlebnis wird jedoch im Gedächtnis und in den Seelen der Kinder noch sehr, sehr lange Freude und Wärme speichern, vielleicht oder sogar wahrscheinlich, bis sie selber Großväter geworden sind.

Bethlehem ist überall

 „Ja, dann frohe Weihnachten, ich muss jetzt gehen, sonst bekomme ich meinen Zug nicht mehr“, sagt die junge Kollegin zu Anneliese Weber, und dann fällt die Tür der Arztpraxis auch schon hinter ihr ins Schloss.  Im Wartezimmer sitzen noch ein paar Patienten, die ungeduldig darauf warten, dass die Arzthelferin endlich ihren Namen aufruft.  Denn schließlich ist morgen schon Heiligabend, und die meisten Menschen haben noch etliche Vorbereitungen zu erledigen.  Frau Weber, die langjährige erste Helferin des Internisten, spürt sehr schnell die angespannte Atmosphäre in dem großen Warteraum.  Sie zündet noch einmal die vier roten Kerzen an dem Adventskranz an, der auf dem Tisch, in der Mitte des Raumes, den schönsten Platz eingenommen hat.  Und tatsächlich geht von dem milden Kerzenlicht eine beruhigende Wirkung aus.  Die alte Frau packt ihr Strickzeug zusammen, der junge Mann legt die Illustrierte auf den niedrigen Ablagetisch, und das kleine Mädchen klettert auf den Schoß seiner Mutter.  Die Adventslichter üben eine nicht zu übersehende Anziehungskraft auf die Menschen in diesem Wartezimmer aus.  Ja, die Ungeduld weicht einer besinnlichen Ruhepause, die sie sich wahrscheinlich in diesen Tagen vor Weihnachten zu Hause nicht gönnen.  Vor allem genießt die alte Frau das Beisammensitzen mit den anderen Menschen.  Denn sie ist in ihrer Wohnung viel zuviel allein.  Das kleine Mädchen reibt sich die müden Augen und fängt an zu quengeln.  Da lockt die freundliche Frau das Kind geschickt zu sich, bindet einen langen Wollfaden an eine leere Schachtel, und schon ist ein phantasievoller Hund entstanden, den die Kleine durch den Raum spazieren führt.  Die Augen des Kindes leuchten jetzt, während es ganz zufrieden in das Spiel mit dem „Hund“ versunken ist.  Da bittet die Arzthelferin als nächste Patientin die alte Frau ins Sprechzimmer.  „Ach, Frau Weber, nehmen sie mal den jungen Mann und die Mutter mit der Kleinen ruhig vor mir an die Reihe.  Auf mich wartet ja niemand zu Hause.“  Der junge Mann nimmt das Angebot gleich an, und auch die Mutter bedankt sich für so viel Entgegenkommen bei der verständnisvollen und kinderlieben Frau.

Eine gute Stunde später pustet Anneliese Weber die fast heruntergebrannten dicken roten Kerzen aus, und sie räumt das Wartezimmer ein wenig auf.  Währenddessen befindet sich Frau Berensch bei ihrem Chef im Behandlungszimmer.  Das kann ja wohl noch eine Weile dauern mit dem Gespräch, denkt die Arzthelferin.  Denn der Internist ist ein gründlicher Mann, und vor allem nimmt er sich auch Zeit für Gespräche, die manchmal wichtiger und wirksamer sind als ein Medikament.  Die einsatzfreudige Arzthelferin fängt schon mit den er­sten Vorarbeiten für die bevorstehende Quartals­abrechnung an.  Eigentlich könnte sie nun schon nach Hause fahren. Doch seit einiger Zeit arbeitet sie lieber sehr lange in der Praxis, als mit ihren oftmals quälenden Gedanken in ihrer hübschen Wohnung allein zu sein.

Ihr Mann hat sie erst vor ein paar Wochen ohne jede Vorankündigung von heute auf morgen verlassen.  Inzwischen weiß sie nun auch, dass er zu einer jüngeren Frau gezogen ist.  Diesen Schlag hat sie so schnell noch nicht überwinden können.

Die letzte Patientin geht langsam und nachdenklich mit einem Rezept in der Hand auf Anneliese Weber zu: „Ich wünsche Ihnen von Herzen ein gesegnetes und frohes Weihnachtsfest, und geben Sie mir bitte einen neuen Termin für Anfang Januar mit“, sagt die gütige alte Frau und schaut der Arzthelferin dabei ins Gesicht.  So bleibt ihr auch nicht verborgen, dass sich ein Trauerschleier über die großen dunkelblauen Augen gelegt hat.  Anneliese Weber kämpft mit ihren Tränen.  Doch dann wendet sie sich vertrauensvoll an Frau Berensch: „Ich wünschte, dass das ganze Weihnachtsfest schon vorbei wäre, denn ich habe Angst vor dem Alleinsein an diesen Tagen.“  Da geht die kleine weißhaarige Frau ganz dicht auf die Arzthelferin zu und streichelt sehr sanft und liebevoll die Hand der Traurigen und sagt: „Ich kann Sie so gut verstehen, mir sind solche Gefühle überhaupt nicht fremd, und wenn Sie nicht allein sein mögen, können wir uns ja vielleicht besuchen.“ - „Das ist ein sehr liebes Angebot, Frau Berensch, und wahrscheinlich mein schönstes Weihnachtsgeschenk, mir fällt direkt ein Stein vom Herzen, ich rufe Sie heute Abend noch an.

Jetzt laufen der Arzthelferin die Gedanken ganz schnell voraus, und sie hat es eilig, die Praxis abzuschließen.  Sie will noch vor Geschäftsschluss ein paar Besonderheiten im Hinblick auf den Besuch von Frau Berensch besorgen.  Auf dem Marktplatz steht noch glücklicherweise ein Verkäufer, der die letzten Weihnachtsbäume feilbietet.  Eine etwas krumm gewachsene, aber kräftige Tanne klemmt sie sich unter den Arm.  Sie spürt richtig, wie ihr verkrampftes Herz sich wieder weitet, der Vorfreude Einlass gewährt.  Und einen leckeren Nusskuchen will sie abends auch backen.  Dazu fehlen ihr nur noch die gemahlenen Nüsse.  Sonst hat sie alle anderen Zutaten im Hause.  Im Supermarkt wird schon der Laden saubergemacht.  Doch das Warenangebot ist noch reichlich sortiert.  Sie kauft auch Geflügel, mit dem Gedanken, dass Frau Berensch gewiss so etwas Leichtes vertragen kann.

Richtig bepackt wie ein Weihnachtsmann, kommt sie dann spät, aber fröhlich in ihrer Wohnung an.  Ihr fällt gleich der Christbaumschmuck ein, den sie im Laufe der letzten Jahre selbst gebastelt hat.  Aber erst muss sie nun allein den kleinen Baum in den Ständer schaffen.  Früher hat diese Arbeit immer ihr Mann übernommen.  Doch richtig stolz stellt die allein lebende Frau fest, dass sie ohne fremde Hilfe den Weihnachtsbaum aufstellen kann.  Der große Strohstern steckt dann nach einer Stunde auch schon auf der Tannenspitze, und die zierlichen Engel aus matter Goldfolie leuchten sanft im grünen Geäst.  Inzwischen duftet es aus der Küche nach süßer Kuchenbäckerei.

Anneliese singt, in diesen letzten Wochen zum ersten Mal wieder, die Advents- und Weihnachtslieder, die sie in ihrer Kindheit schon so gerne mochte.  Es ist spät geworden an diesem Tag vor Heiligabend.  Fast hätte sie vergessen, dass sie ja Frau Berensch versprochen hat, sie anzurufen; so sehr hat sie schon die gütige alte Frau in ihr Weihnachtsfest mit einbezogen.  Die Angst vor dem Alleinsein hat aus ihrer Seele Auszug gehalten.  Zufrieden, wie schon sehr lange nicht mehr, schläft sie in der Nacht ein.

Regen trommelt gegen die Fensterscheiben, und es fällt nur spärliches Tageslicht in das Schlafzimmer.  Anneliese Weber zieht mit Schwung die roten Vorhänge auf.  Ein grauer, Regen verhangener Himmel präsentiert sich ihr.  Doch sie spürt, wie leicht und schnell ihre Körperbewegungen sind.  Die Vorfreude hat sich in ihr Herz sicher und fest eingenistet, gleich einem singenden Vogel, der ein warmes Nest gefunden hat.  Sie bereitet mit geschickten Händen das Geflügel in der Küche zu.  Dabei fällt ihr Blick immer wieder durch das Fenster, das zur Straßenseite liegt.  Frau Berensch wollte schon früh kommen.  Schnell legt sie noch ihre schönste, selbst gestickte Weihnachtstischdecke auf den Esstisch, die, mit den grünen Tannenzweigen und den goldgelben Engeln darauf.  Ja, es soll wirklich festlich und gemütlich sein, damit sie sich auch beide wohl fühlen können.

Da hört sie auch schon die Klingel läuten.  Sie läuft schnell, fast wie ein Kind, das die Überraschung kaum noch erwarten kann, an die Tür.  Da steht die kleine zierliche Frau Berensch in Hut und Mantel, und sie hält ein Christrosensträußchen in der einen Hand.  „Kommen Sie herein in meine arme Hütte“, sagt Anneliese etwas burschikos, um ihre Rührung zu kaschieren.  Als sich die beiden Frauen im Korridor gegenüberstehen, kommt es jedoch ganz spontan zu einer innigen Umarmung.  Das gegenseitige Streicheln über Wangen und Rücken heilt Verwundungen an den Seelen.

Als dann Anneliese Weber eine passende Vase für die weißgrünen Winterblumen aus dem Schrank holt, wischt sie sich Freudentränen aus dem entspannten Gesicht.  Später stecken die Frauen gemeinsam rote Kerzen an den Weihnachtsbaum.  „Frau Weber, in meiner Handtasche habe ich noch eine uralte Christbaumkette, die ich in mei­ner Kindheit gebastelt habe.  Darf ich die wohl auch an ihren Baum hängen?“ - „Selbstverständlich, Frau Berensch, der Baum ist doch für uns beide, und ohne Sie hätte ich gar keinen in diesem Jahr.“

 

In den folgenden Stunden haben die beiden Frauen sich viel zu erzählen.  Sie öffnen sich einander vertrauensvoll und es gelingt auch immer mehr, weil sie merken, dass die Gespräche von einem liebevollen Verstehen getragen sind.  Als sie dann die Lichter am immergrünen Baum angezündet haben, sitzen sie behaglich in ihren Sesseln.  Anneliese Weber singt mit ihrer schönen Altstimme, begleitet von der Blockflöte, die Frau Berensch spielt.  Plötzlich, zu vorgerückter Stunde, will die alte Frau Berensch aufbrechen, um nach Hause zu fahren.  „Aber ich lasse Sie doch jetzt nicht in der Heiligen Nacht, noch dazu bei dem schrecklichen Wetter, allein nach draußen, Mutter Berensch“, entfährt es Anneliese.  Ja, Mutter hat sie gesagt.  Die alte Frau hat es sehr wohl bemerkt, und sie antwortet: „Sicher, ich werde gern hier übernachten, damit dieser Heilige Abend, dieser wundervolle Tag nicht so schnell endet.“

Der Wunschzettel

 In den langen Wochen vor Weihnachten hat Susanne das Gefühl, dass die dunklen Tage, an denen sie oftmals allein in dem gemütlichen Reihenhäuschen vor dem Fernseher sitzt, kein Ende nehmen wollen.  Ihre Mutter arbeitet als Verkäuferin gerade jetzt abends besonders lange und zusätzlich noch an den Samstagnachmittagen im Vorweihnachtsgeschäft.  Der Vater fährt zur See.  Den kennt sie nur von den paar Wochen im Jahr, die er zu Hause Urlaub macht.

Susanne geht jetzt in die vierte Grundschulklasse.  Sie lernt gerne und bringt immer ein gutes Zeugnis nach Hause.  Morgens weckt die Mutter sie, und sie frühstücken beide gemütlich zusammen.  Die Mutter wickelt ihre Schulbrote in Pergamentpapier.  Sie nimmt ihre Tochter zum Abschied in den Arm und wünscht ihr einen schönen Schultag.  Dann schaut Mutter eilig zur Uhr, räumt noch ein wenig auf und läuft hastig zur Bahnstation.  Das Kind fühlt sich in der Schule zwischen all den vielen anderen Mitschülern sehr wohl.  In den Pausen geht es oft recht lustig zu.

Aber auf dem Nachhauseweg fängt Susanne an zu trödeln.  Sie hat so ein ungutes Gefühl im Bauch, mag gar nicht nach Hause gehen.  Da wartet ja niemand auf sie.  Auf dem zugefrorenen Teich trifft sie Thomas, der in der Schule Schwierigkeiten mit dem Lernen hat.  Nachdem die beiden ausgiebig auf dem Eis geglitscht haben, lädt Susanne ihn zu einer warmen Suppe zu sich ein.  Ihre Mutter hat ja schon alles vorgekocht.  Das Mädchen schließt die Haustür auf, schaut in den Briefkasten und sagt enttäuscht: „Na ja, wenigstens hätte mein Papa mir mal schreiben können.“  Thomas’ Augen staunen: So viel materiellen Reichtum ist er nicht gewohnt.  Es rutscht dem Jungen so heraus: „Müsst ihr aber viel Geld haben!“ Susanne wärmt in der Mikrowelle die leckere Gemüsesuppe.  Thomas deckt Teller und Löffel auf, und sie essen gemeinsam.  Doch Thomas hat schon längst seinen Teller leer.  Während sie sich über ihre Lehrer mal so richtig ausquatschen, hat Susanne ganz vergessen zu essen.  Das Sprechen dürfen, sich mitteilen zu können, endlich einmal ein Gegenüber zu haben, ist ihr viel wichtiger als das Essen.  Danach machen sie zusammen die Hausaufgaben, und Susanne hat viel Geduld und Zeit, Thomas die Matheaufgaben zu erklären.  Der Junge ist glücklich über die Nachhilfe, die er in seiner Familie nicht bekommen kann.  Der Fernsehapparat inter­essiert die Kinder gar nicht mehr.  Susanne zündet die Kerzen am Adventskranz an und holt das Mühle-Spiel aus dem Schrank.  Sie spielen beide voller Leidenschaft.  Es macht ihnen so richtig Spaß.  Sie sind beide gleich gut beim Mühlespielen.

Draußen ist es inzwischen längst dunkel geworden.  Die Kinder haben es gar nicht bemerkt, so vertieft sind sie in ihr Spiel und in ihre Gespräche.  Susanne sieht beim Spielen, dass Thomas’ Pullover ziemlich aufgetragen ist.  Sie macht ihren Schrank auf und schenkt ihm spontan einen schicken Pullover.  Sie besitzt davon stapelweise.  Thomas freut sich riesig, aber er fragt Susanne: „Was wünschst du dir eigentlich zu Weihnachten?  Du hast doch schon alles!“ - „Ja, Thomas, ich habe äußerlich alles, aber ich bin nachmittags immer so schrecklich allein.“  Der Junge schaut auf die Uhr.  Es ist spät geworden.  So einen schönen Nachmittag haben beide Kinder sonst nicht.

Als Susanne dann wieder allein ist, denkt sie an ihren Wunschzettel, den sie der Mutter längst schreiben sollte.  Sie nimmt einen großen Bogen von dem weißen Schreibpapier aus der Schublade des Schreibtisches und malt erst mal Thomas und sich selbst, am Tisch sitzend, Mühle spielend, mit ihren Buntstiften liebevoll auf das Blatt.  Dann schreibt sie in sauberen Druckbuchstaben einen Satz: „Liebe Mutti, ich wünsche mir zu Weihnachten, dass Thomas jeden Nachmittag zu mir kommen darf.“ Fein säuberlich faltet sie den Wunschzettel zusammen und versteckt ihn unter dem Kopfkissen der Mutter.

 

Am späten Abend, als die Mutter dann zu Hause ist, merkt diese trotz ihrer totalen Abgespanntheit, dass Susanne heute so ausgeglichen und fröhlich ist.  Sonst hatte die Tochter für den Rest des Abends die Mutter meistens ganz für sich in Anspruch genommen.  Heute jedoch fragt die Tochter die Mutter, wie es denn im Geschäft war, und sie hilft der Mutter auch gerne beim Abwaschen. Susanne scheint „verwandelt“.  Sie sagen einander bald gute Nacht und drücken sich heute besonders innig.  Die Mutter zieht unter ihrem Kopfkissen das Nachthemd hervor und dabei fällt ihr der Wunschzettel auf den Teppichboden.  Sie bückt sich, faltet ihn auf, liest den Herzenswunsch ihrer einzigen Tochter und ist sogleich tief angerührt.  Sie hat natürlich gefühlt, dass Susanne es wohl lieber hätte, wenn sie nicht berufstätig wäre.  Aber an diese wunderbare Lösung, die, so scheint ihr, die beste für alle Beteiligten ist, hat sie überhaupt nicht gedacht.  Die Mutter mag nämlich gerne als Verkäuferin mitten im Gewühl der Menschen sein.  Sie liebt auch ihren Beruf.  Es ist, als falle eine Beschwernis von ihrem Gewissen.  Natürlich darf Thomas jeden Tag zu Susanne kommen.  Wie alle Mütter der Welt, so möchte auch sie, dass ihr Kind glücklich ist.  Sie denkt: „Wir sollten öfter mal einen Wunschzettel schreiben, nicht nur zu Weihnachten.“

Kindheitswintertage

 In Hinterpommern waren damals vor fast sechzig Jahren  die Winter sehr beständig.  Der Schnee lag öfter wochenlang, und es war bitterkalt.  Man brauchte im Winter die Doppelfenster.  Der Vater hatte sie rechtzeitig im Herbst aus der Dachkammer, in der sie den Sommer über stationiert waren, herunter getragen und in die Rahmen eingesetzt.  Von der Mutter waren die Glasscheiben blitzblank geputzt worden.  Es war alles für den Einzug des Winters vorbereitet.  Auch das Brennholz und die Briketts zum Beheizen der Kachelöfen waren im Keller aufgestapelt.

 

Eines Nachmittags, der Himmel war schon den ganzen Tag über so grau, schneevolle Wolken hingen tief und schwer, fing es ganz langsam an zu schneien.  Weiße Flocken tanzten lustig auf die Erde hernieder.  Das kleine Mädchen hatte aus Steinbauklötzen Häuser gebaut, in denen die „Mensch-ärgere-dich-nicht-Puppen zu lebendigen Menschen wurden.  Es war ganz in dieses Spiel versunken, da rief einer der beiden älteren Brüder: „Es schneit, guck mal, es schneit!“  Schnell lief das Mädchen ans Fenster und drückte das Näschen neugierig an die Scheibe, und das Herz hüpfte vor Freude, machte Luftsprünge beim Anblick des fallenden Schnees.  Verzaubert sahen Bäume, Zäune, die ganze Erde aus.  Temperamentvoll bat es gleich den Vater, ihr doch den Rodelschlitten vom Boden zu holen.  Aber der machte ihm verständlich, dass erst noch viel mehr Schnee fallen müsse, damit der Schlitten auch gleiten könne. 

 

Aufgeregt, erwartungsvoll und ungeduldig blieb das Kind dann auch eine ganze Zeit am Fenster stehen, bis der Vater die Schneedecke für hoch genug zum Rodeln befand.  Es ließ ihm auch nicht eher Ruhe, bis er den Schlitten die Treppen herunter getragen hatte.  Inzwischen hatte es sich Trainingshosen, Mantel, Mütze und Handschuhe angezogen.  Die älteren Brüder wollten natürlich auch im ersten Schnee dieses Winters rodeln.  Zum Lenken brauchte sie ohnehin noch einen verlässlichen Steuermann.  Sie stapften gemeinsam durch den pulvrigen Schnee und zogen vereint den Schlitten hinter sich her.  Am größten Berg angekommen, fuhren sie die steilsten Abhänge, glattesten Bahnen herunter. 

Kalter Wind sauste um ihre Köpfe.  Mit geröteten Wangen zogen sie den Schlitten nach jeder Abwärtsfahrt wieder den Berg hinauf.  Die Herzen jubelten, die Kinder lachten, der Schnee wurde aufgewirbelt.  Ehe sie es bemerkten, legte die Dunkelheit ihren schwarzen Mantel sanft über die weiße Pracht.

 

Nasse Wollhandschuhe, kalte Füße, leere Mägen, so zogen sie etwas müde, aber herrlich ausgetobt, zufrieden ihren Schlitten an vereister Schnur nach Hause.  Bei Muttern war es wohlig warm, und sie hängten die nassen Kleidungsstücke neben den großen Kachelofen zum Trocknen auf.  Aus der Ofenröhre kamen Düfte zischen­der Bratäpfel.  Sie labten sich an dieser heißen süßen Köstlichkeit und gingen dann selig trunken in ihre Betten.  Nachts träumte das kleine Mädchen, dass der Schnee noch lange liegen bleiben möge.

 

 

Weihnachten 1947

Wir, eine Familie mit fünf Kindern, aus Pommern geflüchtet, wurden am Ende des Krieges zunächst in die ländliche Umgebung von Flensburg verschlagen.  Mein Vater sah nur einen Ausweg, der Not aus Frieren, Hungern und Arbeitslosigkeit zu entkommen, indem er ins Ruhrgebiet ging, um als Bergarbeiter unter Tage hart zu arbeiten.  Als er dann ein warmes großes Zimmer für uns alle hatte, konnten wir nachkommen.

Es war in der Adventszeit 1947.  Eines ruhigen Nachmittags waren mein elfjähriger Bruder und ich allein in dem großen Zimmer.  Wir hatten Langeweile und waren neugierig auf die Weihnachtsgeschenke, die unsere Eltern in einer Hartgummitasche in einem metallenen Militärspind versteckt hatten.  Eilig und mit schlechtem Gewissen guckten wir uns die kleinen bescheidenen Geschenke an.  Als alles wieder gut verpackt war, schärfte mein Bruder mir ein: „Du musst am Heiligabend aber so tun, als hättest du die Sachen noch nie gesehen.  Du musst dich darüber freuen!“

Der Heiligabend kam, und ich weiß noch sehr gut, dass ich mich gar nicht auf die Bescherung freuen konnte.  Mein „Freuen“ war dann auch wohl sehr künstlich und ich war erleichtert, dass niemand etwas bemerkt hatte.  Wir sangen viele schöne alte Weihnachtslieder unter dem kleinen Tannenbaum.  Da klopfte es ganz unverhofft an unserer Tür.  Von der Arbeiterwohlfahrt wünschte man uns fröhliche Weihnachten mit großen Geschenken, die wir dankbar annahmen.  Für mich waren ein Paar Schuhe und ein warmes Kleid im Schottenmuster dabei, für uns alle köstliche Lebensmittel.  Meine Mutter backte von den geschenkten Zutaten einen Kuchen, dessen „himmlischen“ Geschmack ich noch heute auf der Zunge habe.  Dankbarkeit und helle Freude zogen bei uns ein.  Als Kind hat es mich sehr beeindruckt, dass völlig fremde Menschen uns so liebevoll beschenkt hatten.  Wir waren nicht vergessen.  Es gab noch Nächstenliebe!  Diese schöne Erinnerung liegt nun schon fast 60 Jahre zurück, und ich denke jedes Jahr zu Weihnachten wieder gerne daran.  Dieses Erlebnis hat mich vielleicht gelehrt, den Mitmenschen nicht zu vergessen.

Der Traumbaum im Jahre 1946

 Aus meinem Elternhaus kannte ich sehr hübsch geschmückte Weihnachtsbäume, die mit etwas Lametta, bunten Kugeln und einem kleinen Glöckchen behängt waren.  An diesem silbrigen Glöckchen kam ich niemals vorbei, ohne dass ich dem niedlichen Schmuck einen Ton entlockt hatte und das war sehr oft.  Diese zarte Melodie ließ mein kindliches Gemüt und mich hüpfen.

 

In der Nachbarschaft wohnte eine einheimische Stellmacherfamilie.  Das kleine Flüchtlingsmädchen aus dem deutschen Osten war stets hungrig und kam aus der armseligen Behausung des so genannten Altenteils eines schleswig-holsteinischen Großbauern.  Mit der Tochter des Stellmachers spielte ich schon seit einiger Zeit stets in Gottes wunderbarer Natur.  Nun durfte ich aber zu Weihnachten meine Freundin in ihrem schönen warmen Elternhaus besuchen.  Auf einem Tisch stand unübersehbar ein üppiger Tannenbaum, der mich gleich anlockte.  So einen Weihnachtsbaum hatten meine Augen doch noch niemals bisher gesehen.  Äpfel mit roten Backen, Kekse mit verschiedenem Zuckerguss und Schokoladenkringel zierten diesen grünen Baum.  Reichlich voll behängt mit essbaren Leckereien, welch Reichtum in dieser armen Zeit, in der es immer noch Lebensmittelkarten gab.  Ich weiß noch, dass ich lange geduldig darauf gewartet habe, dass man mir wenigstens eine verführerische Köstlichkeit schenken würde.  Mein Heißhunger schickte meine Augen immer wieder zu diesem „Traumbaum“.  Selbst in einem meiner vielen Träume haben meine Augen niemals so einen reichen Weihnachtsbaum gesehen.  In der greifbaren Nähe stand der nicht einmal Erträumte vor mir und dennoch durfte ich nichts von diesem verführerischen Baumschmuck abpflücken.  Als ich dann genug gelitten hatte, sehnte ich mich nach unserem kleinen Tannenbaum, der mir nicht solche Qualen bereitete, sondern nur Freude.  Schnell bin ich dann auch zu ihm zurückgelaufen.  Meine Mutter stellte dann einen selbst gebackenen sehr kreativen Möhrenkuchen auf den Tisch, den sie nur backen konnte, weil mein ältester Bruder, der auf einem entlegenen Bauernhof sich seinen Lebensunterhalt schon selber verdienen musste, ein paar Möhren geschenkt bekommen hatte.  Nach dieser sättigenden Stärkung hat die ganze Familie ein schönes alt vertrautes Weihnachtslied nach dem anderen laut und frohen Herzens gesungen.

Auf dem Eis

Eiseskälte - Winterfreuden bescherte.

Gondelteich zugefroren und tragfähig.

Trug heiteres Lachen und Glück.

Schenkte mir vergnügte, unbeschwerte Stunden.

Auch ohne Schlitten und Schlittschuhe:

Armes Flüchtlingsmädchen

in den einfachen groben Schuhen geglitscht,

spiegelglatte Rutschbahn – so glatt –

fast spiegelte sie strahlende Augen,

rote Wangen wider.

An der Neujahrspforte

Wir stehen wie vor verschlossener Tür.

Noch liegt das neue Jahr im Verborgenen.

Was erwartet uns im unbekannten Raum?

Welche Überraschung

wird uns beglücken?

Haben wir Nebelbänke zu durchwandern?

Liegen Stolpersteine auf unserem Weg?

Fragen über Fragen kauern in uns.

Schau,

neben der Pforte leuchtet ein helles Licht!

Hörst du den Engel, wie er leise spricht?

„Gott geht mit dir, hab' keine Angst!“

Grenzgänger

Am letzten Tag des Jahres

Rückschau halten,

sich fragen, hat der alte Acker

Frucht getragen?

Gleichzeitig gespannt sein

auf das Neuland, das uns

geschenkt und anvertraut wird.

Etwas Beängstigendes und Geheimnisvolles

steckt in jeder Grenzüberschreitung. 

Welche Erfahrungen können wir einbringen?

Wie offen sind wir für eine neue Saat?

Das wirklich Tragende ist unser Gottvertrauen.

Die Texte dürfen von Verlagen nur nach Genehmigung durch den Rechteinhaber veröffentlicht werden

Kontakt: maritimbuch (at) googlemail.com

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last update - Letzte Änderung 28.07.2018

Jürgen Ruszkowski ©   Jürgen Ruszkowski  © Jürgen Ruszkowski

 


 

Band 43

Monica Maria Mieck:

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Winterwunder

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weihnachtliche Kurzgeschichten

und lyrische Texte

reich sw bebildert

- Bestellungen (Reste) - - auch als ebook    

Ich lade Sie herzlich ein, mit mir eine weite Reise in Ihre Kindheit und Jugendjahre zu unternehmen  Erinnern möchte ich Sie an den ersten bunt geschmückten Weihnachtsbaum im strahlenden Lichterglanz, die schöne Babypuppe mit den krummen Beinchen und den kuscheligen Teddybär, der Sie manchmal spürbar trösten konnte.  Diese wertvollen Erinnerungen können uns heute noch unsere Seele streicheln.  Genießen Sie das in aller Ruhe bei seidenweichem Kerzenlicht.

Aber ich habe auch etliche aufmunternde, kritische und frohe Geschichten für das schönste Fest der Familie geschrieben.  Viele selbst erlebte Begebenheiten tragen sicherlich zu einem unvergesslichen Lesevergnügen für etliche Stunden bei.  Auf Versöhnung und Nächstenliebe habe ich großen Wert gelegt, weil wir ohne diese tragenden Säulen in unserem menschlichen Miteinander nicht leben können.  Dieses Buch kann als sinnvolle Weihnachtsüberraschung dienen, und es ist auch zum Vorlesen in Gruppen sehr gut geeignet.

Inhaltsverzeichnis:

Adventlicher Dialog                                                            

Allmähliche Beleuchtung                                                    

Nächstenliebe im Advent                                                  

In einer Deutschstunde                                                      

Glückliche Heimkehr                                                           

Der Bote Gottes                                                                                        

Das Zeitgeschenk                                                              

Eröffnung des Weihnachtsmarktes                                   

Wer klopft an unsere Tür?                                                  

Der große Wunsch                                                            

Hast du heute schon ein Licht angezündet?                   

Stern mit sechzehn Strahlen                                                       

In der Wärme deiner Seelenfenster spiegelt sich…      

Das letzte Weihnachtsfest in der Heimat               

Eisblumen                                                                           

Eisblumen an den Fenstern                                               

Heut schleußt er wieder                                                     

Weihnachten als junge Mutter                                            

Je weniger Spielzeug wir unseren Kindern schenken  

Im Weiterwachsen                                    

Die Kirche ist geöffnet                                                                 

Winterwunder          

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Glanz der Nacht                                                                     

Glückseligkeit aus buntem Blech                             

Eine feine Männersache                                                    

Der Einfallsreichtum wächst mit der Armut                    

Ein Wunschzettel vieler älterer Mütter                               

Weihnachtlicher Dialog    


Leseprobe:

„Mama, ich weiß nicht, was ich machen soll.“

„Aber Junge, du hast doch zu Weihnachten so viel neues Spielzeug bekommen.“

„Mama, ich kann aber alleine damit nichts anfangen.“

„Lennart, ich muss jetzt die Ente begießen, sonst wird sie zu trocken.“

„Mama, ich brauch dich aber zum Mitspielen.“

„Mein Junge, zum Fest gehören auch köstliche Speisen.“

„Mama, spielst du mit mir, wenn du genug mit der Ente gespielt hast?“

„Aber Lennart, danach will ich doch die Torte füllen.“

„Mama, wenn du die Ente und die Torte genug gestreichelt hast, hast du dann endlich Zeit für mich?“

„Mein Sohn, ich mein es doch nur gut mit dir.“

„Meine liebe Mama, dann steck dir Ente und Torte an den Hut, und sei mir gut, bring zwei Butterbrote mit ins Zimmer und spiel und kuschele so lange mit mir, wie mit deiner Ente und der dreistöckigen Torte.“


 Die bunte Wundertüte

Ein unerwarteter Telefonanruf                                  

Lass deine Tür einen Spaltbreit offen                                          

Die Tür ist offen                                                                  

Eine ganz normale Familie                                               

Keiner muss Weihnachten allein sein                               

Alles gut überstanden?                                                     

Wintertanz                                                                           

Bethlehem ist überall                                                            

Der Wunschzettel                                                                  

Kindheitswintertage                                                               

Weihnachten 1947                                                                

Der Traumbaum im Jahre 1946                                           

Auf dem Eis                                                                        

An der Neujahrspforte                                                        

Grenzgänger                                                                       

 

Über die Autorin                                                                  

Insgesamt 106 Seiten

 

 

 

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